Wir schreiben Sonntag, den 15. Mai 2016. Als der SCF sein bis heute letztes Zweitligaspiel bestreitet, steht für mich zum ersten Mal eine Auswärtsreise nach Berlin-Köpenick an. Die bereits als Meister feststehende Truppe aus Südbaden verliert am letzten Spieltag gegen ein sechstplatziertes Union Berlin zwar mit 2:1, kehrt jedoch nach nur einem Jahr Abstinenz wieder in die große Manege des deutschen Fußball-Zirkus zurück. In diesem sind am Vortag ebenso die letzten Spiele vor der Sommerpause über die Bühne gegangen und dem FC Schalke 04 glückte der Einzug in die Gruppenphase der Europa League, während der FC Ingolstadt die Saison auf Platz elf beendet. Dass die Verantwortlichen beim Audi-Club und in Gelsenkirchen heute ganz andere Sorgen haben, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Vielmehr ist es allemal beachtlich und irgendwo auch surreal, was fast auf den Tag genau sieben Jahre später auf dem Spiel steht, als der Sport-Club zum vierten Mal in der Bundesliga an der Alten Försterei gastiert.
Ja, in den zurückliegenden Jahren wurde an der Dreisam und an der Wuhle derartig gut gearbeitet, dass sich sowohl die Breisgau-Kicker als auch die „Eisernen“ während den Corona-Spielzeiten in der oberen Tabellenhälfte festgesetzt haben und in dieser Saison sogar im vordersten Ligadrittel anzutreffen sind. Was 2016 noch ein belangloser Sommerkick um die goldene Ananas war, ist heute ein vorentscheidendes Duell um einen Platz in der Königsklasse. Denn schon am 32.Spieltag ist beiden Teams die erneute Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb nicht mehr zu nehmen und es sieht stark danach aus, dass der Sieger des direkten Aufeinandertreffens in 2023/2024 in der Champions League vertreten sein wird. Ein erstmaliger Triumph in einem Ligaauswärtsspiel bei Union käme also genau zum richtigen Zeitpunkt und dementsprechend motiviert fand man sich am frühen Samstagmorgen am Freiburger Hauptbahnhof ein. Ohne Umstieg und mit nur wenigen Minuten Verspätung erreichte man sieben Stunden später den der Hauptstadt. Noch schnell Sack und Pack im Schließfach verstaut und weiter ging es per S-Bahn in Richtung Osten der Stadt. Auf halber Strecke gesellte sich dann der Rest der Fanszene dazu und von der Haltestelle Berlin-Köpenick absolvierte man die letzten Meter gen Stadion zu Fuß.
Dieses stellt sicherlich unabhängig von der sportlichen Ausgangslage ein Highlight unter den vielen quer durchs Land verteilten Reisezielen dar. Drei komplette Stehplatztribünen, die über 80% der Gesamtkapazität ausmachen, vor dem Anpfiff keine nervige Werbeshow oder ein Stadionmoderator, der auf dem Rasen den Kasper gibt – Einfach Fußball, so wie er sein soll und der an diesem Nachmittag auch wieder gut Zweieinhalbtausend Freiburger ans andere Ende der Republik lockte, wodurch der Gästeblock voll ausgelastet wurde. Mit einem Intro aus ein paar Fackeln und Rauch war dann auch alles angerichtet, um unsere Jungs zum Sieg zu schreien. Doch leider blieb die gesangliche Leistung lange Zeit auf dem Niveau, welches die Mannschaft fußballerisch in Durchgang eins an den Tag legte und nach gerade einmal fünf Minuten lief man schon dem Rückstand hinterher. Jetzt mal im Ernst: Personen, für die die Unterstützung des Sport-Clubs lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, mögen doch künftig gerne ein Plätzchen weiter außerhalb des zentralen Stimmungsgeschehens einnehmen. Im Normalfall sollte dies in jedem Gästesektor problemlos möglich sein. Derweil spielte sich weiterhin die klare Mehrheit der Torraumszenen in der SC-Hälfte ab. Mit der Verwertung der nächsten beiden Abschlüsse auf das Gehäuse konnten die Gastgeber kurz vor dem Seitenwechsel noch auf 3:0 stellen und Doppeltorschütze Becker entpuppte sich doch tatsächlich als zugestiegener ICE-Fahrgast aus Erfurt (Kenner wissen Bescheid).
Zum Pausentee hingegen war man dann aber natürlich nicht zum Scherzen aufgelegt. Schlichtweg zu schwach war die Freiburger Vorstellung, die einen nicht gerade hoffen ließ, nochmal ranzukommen. Doch der SCF kehrte stark verbessert aufs Feld zurück und war auf einmal in der Lage dem Kontrahenten aus Ost-Berlin etwas entgegenzusetzen. Herausgespielte Offensivaktionen blieb man zwar weitestgehend schuldig, aber durch die bekannte Standardstärke gelang es per Eckball und einem eher holprig verwandelten Elfmeter rund zwanzig Minuten vor dem Ende den Rückstand auf ein Tor zu verkürzen. Der Glaube an etwas Zählbares schlug sich dann auch in einem klar verbesserten Support nieder, wobei hier für meine Begriffe auch noch mehr drin gewesen wäre. Drin war dann auch einer der wenigen Entlastungsangriffe der Gegenseite im zweiten Abschnitt, die sich mit gnadenloser Effizienz nicht lange bitten ließ, bei einem Konter in der Schlussphase für die Vorentscheidung zu sorgen. Mit den letzten Minuten der Partie beschränkte man sich dann darauf den wiederholten Einzug in den Europapokal mit dem „Wir sind total international“ Banner zu feiern. Dabei kamen auch nochmals Fackeln zum Einsatz, die auch im Verlauf des Spiels immer mal wieder das Blockbild optisch aufwerteten.
Doch etwas enttäuscht, aber irgendwie auch nicht wirklich überrascht wurde von der altehrwürdigen Spielstätte wieder Kurs auf die S-Bahn-Haltestelle genommen. Wie man den Sport-Club Freiburg kennt, ist dieser einfach sehr oft nicht in der Lage in wegweisenden Momenten den entscheidenden Schritt zu gehen, um einen ganz großen Coup zu landen. Aber gut, wenn Mitte Mai zum ersten Mal zwei Bundesligaspiele in Folge verloren werden, dann wird nur nochmals deutlich, welch überaus bemerkenswerte Saison wir derzeit mit unserem Herzensclub erleben dürfen. Bevor dann der restliche Abend und die komplette Nacht wieder im Zug verbracht werden durfte, blieb am Hauptbahnhof glücklicherweise noch genügend Zeit, um entsprechend Proviant für die bevorstehende Tour zu besorgen und sich mit einer vernünftigen Mahlzeit zu stärken. In den Sechser-Abteilen unseres Reisemobiles Platz genommen, war dann auch die anfangs gedrückte Laune einer gemütlich-lockeren Stimmung gewichen und beim Konsum von der ein oder anderen hopfenhaltigen Flüssigkeit wurde auch noch munter gequatscht und vereinzelte Gesangsauftritte zum Besten gegeben. Spätestens nachdem jedoch auch der rund eineinhalbstündige Aufenthalt am Hauptbahnhof in Leipzig überstanden war und die Fahrt fortgesetzt werden konnte, holte die meisten die Müdigkeit dann doch ein und es war an der Zeit die Augen zu schließen. Wem es vergönnt war ganz abzuschalten, öffnete diese erst wieder mit dem Erreichen der heimischen Gefilde, wobei die zurückliegenden Stunden selbstredend allen in den Gesichtern standen, als um kurz vor sieben des Sonntagsmorgens der vertraute Bahnsteig wieder betreten wurde.
Das Wochenende war gelaufen und doch würde ich bei der Behauptung lügen, dass man den Ausflug an die Alte Försterei bereuen würde. Der Fußballtempel, in dem gefühlt die Zeit stehen geblieben ist, wirkte schon 2016 irgendwie faszinierend auf mich und löst bereits heute Vorfreude auf den Trip mit dem SC an die Berlin-Brandenburgische Grenze im kommenden Jahr aus. Und wer weiß, vielleicht gelingt es ja dann auch, die lange Heimreise erstmalig mit Punkten im Gepäck anzutreten.