79 Stunden war ich unterwegs, um innerhalb von nur 17 Tagen zwei Spiele des Sydney FC zu besuchen. Eine anstrengende Reise, die mich erneut ans andere Ende der Welt führte. Was ich dabei erlebt habe und ob sich die Sache gelohnt hat, darüber möchte ich hier berichten. Winterpause? Ja. Fußballpause. Definitiv nicht.
Alleine schon wegen der Reisekosten und der immensen Entfernung ist eine Fanfreundschaft mit Sydney deutlich schwieriger mit Leben zu füllen als eine mit der Fanszene eines europäischen Vereins. Nimmt man dann noch Corona in Kombination mit der restriktiven Einreise-Politik Australiens hinzu, macht das jeglichen persönlichen Austausch für über zwei Jahre nahezu unmöglich. Nachdem in der vergangenen Hinrunde dann aber endlich wieder Gesichter von The Cove in Freiburg begrüßt werden konnten, stand auch für mich eine erneute Reise ans andere Ende der Welt an.
Eigentlich viel früher geplant, durch Corona aber um rund zwei Jahre nach hinten verschoben, begann meine Reise schlussendlich am 25. Dezember vergangenen Jahres in einem Freiburger Vorort. Rein arbeitstechnisch wäre eine Abreise zwar bereits am 23. Dezember möglich gewesen, hätte aber mit ziemlicher Sicherheit dazu geführt, dass ich enterbt worden wäre.
Terminkollisionen mit Weihnachten und Corona waren natürlich nicht die einzigen Hindernisse: Konnte ich es mir 2018 noch leisten, mit Etihad über Dubai zu reisen, musste ich aufgrund des russischen Angriffskrieges und der daraus resultierenden Inflation diesmal auf Asiana Airlines zurückgreifen. Dabei sollte ich lernen, dass Airline nicht gleich Airline ist und die Ausstattung der Flotte stark variieren kann. Während das Entertainment System im Ersten Flugzeug noch zu überzeugen wusste, glich die Auflösung des Bildschirms im Zweiten der eines Toasters. Bei einer Reisedauer von insgesamt rund 36 Stunden kann einem das schon einmal die Laune verderben. Immerhin gab es genügend Bier.
Nicht nur des Toasters wegen war ich froh, am Morgen des 27. Dezember lokaler Zeit, meine Beine wieder auszustrecken und nach der Einreisekontrolle von einem bekannten Gesicht in Empfang genommen zu werden. Bei jener Person sollte ich nicht nur dieses Mal einen Unterschlupf finden, sondern auch bereits bei meinem letzten Besuch im Jahr 2018. Kennen und lieben gelernt haben wir uns 2017 in Freiburg, als er mit uns nach Ljubljana reiste und den Sport-Club grandios in der Qualifikation zur Europa League scheiterte sah.
Aber zurück zum Thema. In Sydney angekommen galt es zunächst den Jetlag zu überwinden. Wie gestaltet man dies am besten? Genau: Den Tag mit Aktivitäten vollpacken und abends Bier trinken, um schlafen zu können. Dank dieser Methode hatte sich meine innere Uhr bereits nach zwei Tagen an die lokale Zeit angepasst. Durch den Wohnort meines Gastgebers (rund 12 Minuten mit der Tram zur Central Station und 24 zum Opernhaus) wurde dieses Verhaltensmuster der Einfachheit halber dann aber auf die ganze Woche adaptiert: Sightseeing-Touren zwischen Wolkenkratzern, abhängen an den bekannten Stränden und das eine oder andere Pint in diversen Pubs, bei denen ich auf Freunde traf, die ich schon viel zu lange nicht mehr sehen durfte. Einfach eine schöne Zeit.
Newcastle Jets – Sydney FC: Where´s Freiburg?
Auf meine Frage, warum die Liga Spiele am Ersten Januar ausrichten lässt, fand nicht nur ich, sondern auch die Jungs vor Ort keine sinnvolle Antwort. So ging es am Morgen des ersten Januar mit leichten Kopfschmerzen zum Treffpunkt nahe der Central Station. Hier startete der Bus von The Cove. Wie ich dann lernen sollte, ist es typisch, dass die Insassen nicht erst zur Abfahrt erscheinen, sondern genügend Zeit einplanen um sich zuvor noch ein paar Drinks im Pub zu genehmigen. Gut, dann wird halt gekontert.
Die anschließende Fahrt lässt sich ziemlich gut mit einer in Deutschland vergleichen. Es wird über Fußball gequatscht, darüber, was andere Fanszenen in aller Welt für Aktionen auf die Beine stellen und mit jedem Bier mehr tritt die Musik aus der JBL-Boombox mehr in den Hintergrund und es wird sich auf das Spiel eingestimmt. Dabei muss ich zugeben, dass die 14-tägigen Reisen auf der A5 (Always A5!) zwar durchaus ihren Reiz haben, es aber eine gelungene Abwechslung ist, wenn unter der Highway Brücke ein Jetski hindurch brettert.
Bedingt durch den Reiseverkehr (in Australien ist aktuell Urlaubssaison) erreicht man den Busparkplatz dann gerade rechtzeitig zum Anpfiff. Richtig gehört: Den Busparkplatz, nicht den Gästeblock. Dies veranlasst hier aber niemanden, in Panik zu verfallen. Vielmehr wird die eigene Verspätung mit einem simplen “We are Sydney, we come when we want!” Gesang quittiert, während man die Tribünenstufen des Gäste-Bereiches hinunter schreitet.
Eine Besonderheit hierbei ist, dass Sektorentrennungen oder Zäune im australischen Fußball ein Fremdwort sind. Egal ob Reguläres- oder Risikospiel: Zäune gibt es hier nicht. Maximal ein “Supporters Marshall” (vergleichbar mit der deutschen Fanbetreuung) weist einen freundlich darauf hin, Bereiche der Heimkurve bitte nicht zu betreten. Möglich ist das trotzdem ohne Probleme.
Kurz eingeschoben sei hier noch zwei Tricks für alle anderen, die ein Fußballspiel in Australien besuchen möchten: Mir wurde erklärt, dass ich einfach das günstigste Ticket kaufen soll, welches ich finde (Familienblock, Kind unter 16), weil eh keine Kontrollen stattfinden. Ähnlich verhält es sich mit mitgebrachtem Bier. Einfach in den Rucksack packen und auf der Tribüne nicht allzu auffällig verhalten. Beides hat ohne Probleme geklappt.
In der Gästekurve fanden sich schließlich rund 200 Personen ein. Der Großteil davon suchte jedoch Schutz im Schatten im oberen Teil der Tribüne. Ich selbst wollte mich ebenfalls am Support beteiligen, musste mir aber recht schnell eingestehen, dass meine farblose Haut nicht für die permanente australische Sonneneinstrahlung gemacht ist. Fußball im Sitzen im Schatten? Im Urlaub darf man das einmal.
Zwei schnell hintereinander geschossene Tore in der 37. und 41. Minute ließen die ohnehin kaum wahrnehmbare Heimkurve dann nahezu vollkommen verstummen und sorgten für Erleichterung im Gästebereich, da Sydney den Spieltag sonst als Tabellenschlusslicht hätte abschließen können. Im Allgemeinen lässt sich die Stimmung hier mit der eines Heimspiels unserer Amateure im Möslestadion vergleichen. Zum einen, zu dem die aktive Fanszene zum Support aufgerufen hat und auch Gästefans vorhanden sind natürlich. Es sind hier zwar deutlich mehr Menschen im Stadion, der Großteil verfolgt das Spiel allerdings ziemlich teilnahmslos.
So gestaltete sich dann auch der Rest des Spiels: Tore fielen keine mehr und bis auf ein paar Luftschlangen zu Beginn der zweiten Halbzeit passierte auch im Gästeblock nichts Aufregendes mehr. Dann immerhin Humba? Nein, so was kennt man hier nicht. Trotzdem kommt die Mannschaft natürlich an den Gästeblock und blieb deutlich länger als erwartet. So zeigte sich, dass Fußball in Australien natürlich deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommt und auch die Zuschauerzahlen deutlich geringer sind. Dafür ist alles etwas familiärer, die Spieler kommen an den Gästeblock, weil sie einzelne Gesichter wirklich kennen und führen Gespräche, die über Smalltalk hinausgehen.
Zum Schluss noch schnell ein Gruppenfoto vor dem Bus aufgenommen und Abfahrt. Viel mitbekommen sollte ich von dieser dann allerdings nicht: Geschlaucht von der Party am Abend davor und der Hitze des australischen Sommers schlief ich recht schnell erschöpft ein und wachte erst kurz vor den Toren Sydneys wieder auf. Trotzdem ein rundum gelungener Tag als dessen Lieblingssatz mir “Where´s Freiburg?” in Erinnerung bleiben wird. Mittels dessen gingen die Jungs und Mädels nämlich an jedem Halt sicher, mich nicht irgendwo im australischen nichts zu verlieren.
Leben im Hornsby Triangle
In Deutschland bereits Reisepläne ausgearbeitet, die Tage zwischen dem Auswärts- und Heimspiel in Brisbane und an der Gold Coast zu verbringen und dort den ansässigen Themenpark auszuprobieren (einige der Achterbahnen dort hat übrigens ein uns nicht ganz unbekannte Achterbahnbauer errichtet), durchkreuzte mir leider die australische Urlaubssaison die Planungen – entweder ist die Verbindung ausgebucht oder unbezahlbar. So lag ich beim Schreiben dieser Worte im Gästezimmer eines Freundes, das direkt an einen Nationalpark grenzt. Sollte ich nachts komische Geräusche hören, einfach ignorieren. Das seien bloß die kämpfenden Tiere, meinte er.
Wenn mein Gastgeber gerade nicht mit dem Sydney FC unterwegs ist, hat er Kunst studiert. So liegt es nicht fern, dass er in der Vergangenheit nicht nur Choreos für The Cove entworfen, sondern auch eigene Ausstellungen organisiert hat. Da er uns bereits vier (!) mal in Freiburg besucht hat, ließ er diese Eindrücke in seine Kunst einfließen und konnte damit schon hoch dotierte Preise gewinnen. So fand ich mich an einem Nachmittag in seiner Garage an einer riesigen Siebdruckmaschine wieder und druckte mit ihm meine ganz persönliche Erinnerung an meinen Urlaub.
Solltet ihr mehr über ihn und seine Kunst erfahren wollen, könnt ihr euch auf seiner Webseite umschauen: https://www.epankart.com/
Da meine erste Woche vom Sightseeing im Zentrum geprägt wurde, war es diesem Freund ein anliegen, mir die Vorzüge vom leben in den Randbezirken näher zu bringen. Joggen gehen in amerikanischer Vorort-Kulisse, Wanderungen durch den australischen Bush, Truthähne, Papageien und andere Vögel, die durch den Garten fliegen und als Highlight das Hornsby Triangle. Was das ist? Es gibt genau drei Kneipen im Stadtteil und es ist Pflicht, bei seinem Besuch an mindestens einem Abend in allen Drei ein Bier zu trinken. Auch wenn es dabei natürlich nicht bei einem pro Kneipe bleibt. Besonders nach dieser Nacht machte es sich bemerkbar, wie gut es war, zumindest für ein paar Tage ein eigenes Zimmer zu haben.
An dieser Stelle sei ein Dank an alle platziert, die mir einen oder mehrere der etlichen Drinks spendiert haben. – Die Preise hier sind einfach zu heftig für jemanden, der der Überzeugung ist, dass die Vier-Tage-Woche die Zukunft ist.
Sydney FC – Wellington Phoenix (0:1): Die nettesten Gästefans der Welt
Bei unseren Berichten von den Reisen mit dem Sport-Club Freiburg e.V. verzichten wir bewusst auf welche von Heimspielen. Viel zu selten passiert etwas Außergewöhnliches. Zu viel Routine, die einen einfach nur langweilen würde. In Sydney sollte man der Sache einen Versuch geben. Los gehts.
Ich war zwischenzeitlich wieder an meiner alten Unterkunft im Zentrum der Stadt angekommen und befand mich auf dem Weg zum Treffpunkt. Bin ich in Freiburg mittlerweile meistens eher einer der Letzten, war die Vorfreude hier so groß, dass ich tatsächlich der Erste war. Den ein oder anderen Pint vernichtet, mit vielen Freunden gequatscht und auf zum Stadion. Eigentlich alles wie in Freiburg. Sogar die Kleidung: Schön zu sehen, dass nicht nur wir in Freiburg gerne die Klamotten von The Cove tragen, sondern auch hier diverse Shirts aus der Freiburger Fanszene als Spieltagskleidung herhalten. Auch der Deal mit dem Pub wusste zu überzeugen: The Cove ruft zu jedem Heimspiel einen Treffpunkt an diesem aus und garantiert durstige Münder. Dafür haben Sie das Obergeschoss des Pubs für sich und dürfen dort ihren Merch anbieten. Fairer Deal.
Der Gegner hieß Wellington Phoenix und wartet mit einer Besonderheit auf sich: Der Verein kommt aus Neuseeland und damit von einem anderen Kontinent. Dies hat zur Folge, dass der Verein zu jedem seiner Auswärtsspiele fliegen muss und für sein jährliches Gastspiel bei Perh Glory jedes mal eine unglaubliche Entfernung von über 5.000 Kilometern zurücklegen muss. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Entfernung von Lissabon nach Baku. Trotzdem hält das deren Fans nicht vom Reisen ab und man konnte so manch einen Kiwi (Neuseeländer) im gelben Trikot auf der gegenüberliegenden Tribünenseite erblicken. Auf meine Nachfrage, ob es eine Rivalität zu diesem Verein gäbe, wurde mir erklärt, dass dies die nettesten Menschen der Welt seien, niemals jmd. etwas tun würden und sich schlicht über jeden Kontakt von außerhalb ihrer Insel freuen. Deshalb gibt es auch keinerlei Rivalität, niemand denkt darüber nach, ein Banner abzuziehen und am Ende gab es sogar noch ein selbst gebasteltes Souvenir der Gästefans für mich. Habe ich in dieser Form auch noch nicht erlebt.
Obwohl das Stadion mit knapp 14.000 Zuschauern weit davon entfernt war, ausverkauft zu sein, nahm ich hier nun endlich Fußball-Atmosphäre wahr. Fangesänge halten durch das vor wenigen Monaten neu errichtete Stadion und teilweise wurden dafür auch Haupttribüne und Gegengerade eingebunden. Im Allgemeinen wusste das neue Stadion in Sydney sehr zu gefallen. Die Tribünen sehr nah am Spielfeld. Zwei Ränge hinter den Toren, drei auf den Seiten und eine Safe standing Area in der Heimkurve. Für australische Verhältnisse ein sehenswertes Stadion und im Gegensatz zu den ganzen generischen Neubauten um die 35.000 Zuschauer Marke in Deutschland eines mit Wiedererkennungswert.
Leider konnte das Spiel damit nicht mithalten und bereits in der zehnten Minute geriet Sydney in Rückstand. In Folge lief man erfolglos gegen die 11 Jungs aus Wellington an. Dann gegen zehn und nach der zweiten roten Karte gegen neun. Trotzdem wollte der Ball einfach nicht über die Linie. Doch dann in der Nachspielzeit: Elfmeter! Jetzt muss er doch reingehen! Nein! Gehalten … Beschwerde beim Schiedsrichter, Video-Assistent schaltet sich ein: Wiederholung. Jetzt aber! Nein! Diesmal daneben… Zwei rote Karten für den Gegner, zwei Elfmeter in der Nachspielzeit und trotzdem mit 0:1 verloren. Es sollte wohl einfach nicht sein. Wer sich den Wahnsinn dennoch selbst ansehen möchte, dem habe ich hier die Zusammenfassung. Ab Minute 1:53 beginnt der Elfmeter Horror.
Penthouse Lifestyle
Die überaus unglückliche Niederlage verdaut, zog es mich am Tag darauf in eine neue Unterkunft um meine verbliebenden Tage auf der Couch eines Penthouses im 17. Stock mit Blick auf die Skyline zu verbringen. Dabei hat mich der Ausblick auf eben diese so sehr beeindruckt, das ich mich überaus schwer tat abends einschlafen zu wollen. Ich finde Skylines einfach faszinierend. Neben weiterem Touristenprogramm (mit dem ich euch hier nicht weiter langweilen möchte), stand für mich dann noch eine Stadionführung an. Ich hatte bereits vor meiner Abreise recherchiert ob der Verein so etwas anbietet und bei meinen Freunden nachgefragt. 60 Minuten Führung für 25 Australische Dollar. Das fand nicht nur ich zu teuer, sondern auch Sie. Deshalb organisierten Sie mir kurzerhand eine private. “Welchen Raum willst du als Nächstes sehen?” “Können wir ganz nach oben?” “Na klar!” – So muss eine Stadionführung sein. Danke dafür.
Leider neigte sich mein Urlaub dann auch dem Ende zu und die Heimreise stand an. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Vorfreude sich in Grenzen hielt. Nur so viel: Den Toaster sollte ich wieder sehen und ein 14-stündiger Aufenthalt über Nacht (!) ohne Hotel (!) in Seoul macht die Sache nicht angenehmer.
Haben sich die 79 Stunden gelohnt?
Nun ist noch die Frage zu Beginn des Artikels offen: Haben sich die 79 Stunden An- und Abreise gelohnt? Definitiv! Jede Minute. Ich will auch so ehrlich sein, dass ich mir diese Reise ohne meine Freunde vor Ort niemals hätte leisten können. Kostenfreie Unterkunft, Busfahrt nach Newcastle bezahlt, alle Eintrittskarten bezahlt und immer kühles Bier im Kühlschrank. Natürlich behandeln wir unsere Gäste genau so wenn Sie uns in Freiburg besuchen und trotzdem ist es für mich keine Selbstverständlichkeit. Ich bin dankbar für die diese Freundschaft & freue mich bereits jetzt die Jungs wieder in den Arm nehmen zu können. Sei es in Freiburg oder in Sydney. Und dann fliegen sie hoffentlich wieder ganz regulär über die Ukraine an ihr Ziel.