Den Wert, den der Kilometerzähler ausspuckt, wenn man aus der schönsten Stadt der Welt jedes Stadion im Fußball-Oberhaus ansteuert, liegt bei etwa Siebeneinhalbtausend. Eine Anzahl, mit der man im landesweiten Vergleich deutlich über den meisten anderen Bundesligastandorten liegt. Soweit nichts neues, schon klar. Weiter entfernte Reiseziele stellen für SC-Fans eher die Regel als die Ausnahme dar. Dass in der Saison 2022/2023 allerdings ein Spiel anstehen sollte, für dessen Anreise knapp die Hälfte der Kilometer zurückgelegt werden musste, die sonst im Lauf eines regulären Fußballjahres üblich sind, war zum einen bis vor wenigen Monaten undenkbar und ist vor allem dann doch definitiv eine Seltenheit, wenn nicht sogar etwas Einmaliges.
Der Europapokal-Kompass richtete sich also auf Baku. So kurios diese Gegebenheit dann allein schon aufgrund des Gassenhauers aus der Kurve war, so überraschte es zugleich auch nicht wirklich, dass es unser Sport-Club Freiburg mit dem vom Breisgau aus gesehen weit entferntest gelegenen aller potentiellen Gegner zu tun bekam. Für Manche erfüllte sich an jenem Sommertag der Traum vom Wunschlos, ein anderer wird sich wohl heute noch ungläubig an den Kopf fassen, dass es tatsächlich Qarabag Agdam geworden ist. Wie auch immer die Reaktionen schlussendlich ausfielen – Als man dann auch am Tag nach der Auslosung nicht aus irgendeiner Illusion aufwachte, stellte sich also Ende August die Frage, wie man es am besten anstellt, um Anfang November am Kaspischen Meer dem SCF beizustehen. Von Abflughäfen in der Schweiz bis NRW und Zwischenlandungen in Budapest, Warschau oder Istanbul gab es so ziemlich keine Reiseroute, die von Freiburger Schlachtenbummlern nicht gewählt wurde, um in der Hauptstadt Aserbaidschans zu landen. Beim Autor dieser Zeilen fiel der Entscheid letztlich nicht auf die günstigste, dafür aber auf die bequemste Variante mit der Direktverbindung aus der Metropole am Main (Diese sollte sich insbesondere auf dem Rückweg bezahlt machen, aber dazu später mehr).
Aufgrund des Feiertages anlässlich Allerheiligen sparte man doch glatt noch einen weiteren Urlaubstag und fand sich am Dienstagvormittag am Hauptbahnhof in Freiburg in einer kleinen Reisetruppe ein. Platz genommen im Zug, war auch schon nach schnell vorübergehender Fahrt der Halt Frankfurt Flughafen über die Durchsage des Bahnpersonals zu vernehmen. Während auf den Schienen alles reibungslos lief, war es diesmal das fliegende Reisegefährt, welches etwas auf sich warten ließ und somit für ein verspätetes Boarding sorgte. Dass dies auch den Priority Check-in für Reisende in der Business Class betraf, musste auch ein ehemaliger Funktionär des Deutschen Fußball-Bundes zur Kenntnis nehmen. Ja, da stand eine Person am Gate, die einmal das Präsidentenamt im nicht gerade glaubwürdigen, größten nationalen Fußballverband der Welt bekleidet hat, mit doch zahlreich vertretenden Südbadenern, um nach Baku zu fliegen. Lässt sich vermutlich nur damit erklären, dass der Sport-Club einfach zieht. * Nachdem sich die Maschine mit etwas Verzögerung nun doch in die Lüfte erhoben hatte, konnte mit vom Fluganbieter bereitgestellten Kaltgetränken auf den bis hierhin vielleicht außergewöhnlichsten Trip, den man mit unserem einzigartigen Verein machen durfte, angestoßen werden.
Rund viereinhalb Stunden Flugzeit später wurde gegen 22 Uhr Ortszeit aserbaidschanischer Boden betreten. Befürchtungen, dass der Nachweis zur Corona-Schutzimpfung von Seiten der einheimischen Behörden eventuell nicht anerkannt werden könnte, entledigten sich quasi von selbst, als diesem bei der Passkontrolle nicht ansatzweise Beachtung geschenkt wurde und man genauso gut jeden beliebigen QR-Code hätte vorzeigen können. Der Stempel im Reisepass der Azərbaycan Respublikası (Republik Aserbaidschan) war also vermerkt, Yeah! Noch schnell am Flughafen den ein oder anderen Euro in die Landeswährung Manat umgetauscht und ab ging es weiter in Richtung Stadtzentrum, um die jeweiligen Hotels zu beziehen. Rückblickend hätte man den Taxifahrer auch auf einen deutlich günstigeren Preis als umgerechnet knapp 8€ pro Nase bei vier Mitfahrenden für gut 20 Minuten Taxifahrt herunterhandeln können. Denn wie wir noch erfahren sollten, befand sich in Baku wirklich nur das Wenigste auf dem Preisniveau, wie wir es aus der Heimat kennen. Wie dem auch sei. Nachdem sich über das Hotel-Wlan noch ein grober Überblick über die geografischen Gegebenheiten verschafft wurde, steuerte man einen zentralen Platz an, um dort eine Örtlichkeit für einen Mitternachtssnack aufzusuchen. Zufriedenstellend gestärkt begab man sich jedoch zeitnah wieder in die entsprechenden Herbergen. An dem mittlerweile angebrochenen Mittwoch sollte ein straffes Programm anstehen, für welches es Kraft zu tanken galt.
Die Anstrengungen der Reise, die man am vorherigen Abend noch gar nicht meinte zu spüren, machten sich mit dem Klingeln des Weckers dann doch stark bemerkbar. Die Zimmergenossin und ich entschieden uns daher nochmals die Augen zu schließen und das eigentlich dazu gebuchte Hotelfrühstück in die to-go-Variante umzuwandeln. Unweit der Lokalität, in welcher man vor einigen Stunden noch speiste, traf man sich mit einem weiteren Mitglied der Gruppe und dann startete bei angenehmen Herbsttemperaturen die Erkundungstour in der sogenannten „Stadt der Winde“.
Zunächst kehrten wir in der Altstadt ein. Der Begriff des Einkehrens wird hierbei bewusst gewählt. Die Altstadt ist nämlich von einem antiken Festungsring umgeben, welcher sich zu dem in großen Teilen westlich geprägten Stadtbild abgrenzt. Nichtsdestotrotz bildet die innerhalb der altehrwürdigen Mauern befindliche Vielzahl von orientalisch-persischer Historie geprägter Gebäuden einen festen Bestandteil des Stadtkerns. Aus architektonischer Sicht absolut eindrucksvoll und zugleich eben auch ein krasser Kontrast zu den reichlich schillernden Bauten der Gegenwart. Denn gerade einmal wenige hundert Meter weiter fand man sich schon in einer prunkvoll gestalteten Unterführung wieder, um die unmittelbar an den Außenwänden der Altstadt verlaufende Hauptverkehrsstraße zu überqueren und den auf der anderen Seite gelegenen Boulevard zu erreichen. Dieser ist mit mehreren Springbrunnenanlagen, sowie künstlich angelegter Floristikelemente versehen und zeichnet sich wie auch andere viel frequentierte Plätze in Baku durch eine extrem hohe Sauberkeit aus. Vom größten See der Welt, an dessen Ufer nun entlanggeschlendert wurde, konnte dies nicht behauptet werden. Mit ersten Nachzüglern, deren Maschinen in den frühen Morgenstunden gelandet waren, musste festgestellt werden, dass das Kaspische Meer doch sehr verunreinigt ist und wohl auch an einem schönen Sommertag nicht zum Baden einlädt. Weiter ging es am äußerst ausgefallen konstruierten Teppichmuseum vorbei, um mit einer Mini-Ausgabe der hiesigen Schlossbergbahn den sogenannten Highland Park unsicher zu machen. Unterhalb der Flame Towers, ein hochmoderner Gebäudekomplex in Form dreier Flammen und sicherlich eines der Bauwerke, mit denen sich die Metropole insbesondere durch spektakuläre Beleuchtung der hervorstechenden Türme in der Dunkelheit brüstet, gelegen bietet jener eine tolle Perspektive über Stadt, Gewässer und die gesamte Küste. Mittlerweile war die IWF-Sektion, die den Weg nach Baku auf sich genommen hatte, zu weiten Teilen vollständig vertreten und bei herrlichem Sonnenschein, sowie dem beschriebenen Ausblick wurde noch einige Zeit auf der Aussichtsplattform verweilt. Im Austausch über die jeweils gewählten Nachtlager kam dann allmählich so manche Kuriosität ans Tageslicht. In einer Behausung soll es sich zugetragen haben, dass der Türrahmen bei Betreten der Räumlichkeiten einfach aus der Halterung sprang oder die Klospülung gleich das gesamte Badezimmer, sofern dieser Begriff hierfür überhaupt zutreffend war, flutete. Getrieben vom Bierdurst zog es dann schließlich die Ersten in die nächstgelegene Schankstube. Für andere, darunter auch mich, sollte es über die Altstadt nochmals kurz in die jeweilige Unterkunft gehen, ehe man sich mit der Arbeiterklasse zum Abendessen traf. Etwas überspitzt ausgedrückt, gebe ich ja zu. Trotz allem war es nicht jedem vergönnt den ganzen Tag lang die Stadt auszukundschaften, da per Homeoffice (Hotelzimmeroffice würde es eigentlich besser treffen) den Verpflichtungen des jeweiligen Arbeitgebers nachgegangen werden musste. Ja, um den Sport-Club tausende Kilometer zu begleiten, musste nun mal hier und da auch ein gewisses Opfer erbracht werden. Ob die zurückliegenden Stunden nun mit Sightseeing oder Arbeiten verbracht wurden – am Ende bedurfte es einer vernünftigen Mahlzeit, bevor man sich ins Nachtleben stürzte. Die Wahl hierfür fiel auf ein Restaurant mit einheimischer Küche. Für einen nicht im Ansatz mit deutscher Gastronomie vergleichbaren Preis bekam man Speisen in äußerst großzügigen Portionen serviert, welche wirklich hervorragend schmeckten. Wer künftig einmal in Aserbaidschan zugegen sein sollte, der sollte in jedem Fall einmal die vorzügliche landestypische Kost schlemmen. Vom überaus freundlichen Gastgeber wurde noch ein Tee frei haus spendiert und schon ging es über zum Abendprogramm. An dieser Stelle trennten sich ein weiteres Mal die Wege. Denn während sich mittlerweile diverse Personen aus der Gruppe in einem etwas heruntergekommenen Raucherlokal herumtrieben, entschied ich mich für den Besuch einer Bar im Stadtinneren. Bei dem ein oder anderen Gehopften ließ man hier in einer Kleingruppe einen abwechslungsreichen und interessanten Tag gemütlich ausklingen.
Aber das soll es mit dem Mittwoch noch nicht gewesen sein. Schließlich wären wir ja nicht die Always A5-Redaktion, wenn wir an dieser Stelle nicht auch darauf eingehen würden, wie der Abend andernorts und vor allem in erwähnter Raucherkneipe gestaltet wurde. Ein weiterer Gruppengenosse war so freundlich ein paar Zeilen über den Abend des Trupps beizusteuern, der noch vor Sonnenuntergang am Highland Park die Zelte abbrach und sich vorzeitig hinzu Gerstensaft und Co. verabschiedete. Lest selbst:
Am späteren Nachmittag zog es uns in eine kleine Spelunke, die wohl normalerweise nur Einheimischen bekannt ist. Wie für die städtischen Lokale üblich, gab es auch hier Bier und reichlich landestypisches Essen in Form einer großen gemischten Fleischplatte zu mehr als fairen Preisen. Zum Nachtisch durfte zwischen russischem -, ukrainischem – und aserbaidschanischem Wodka gewählt werden, wobei Letzterer das Rennen machte. Anschließend begab man sich auf eine kleine Kneipen- und Clubtour durch die Stadt, bevor man später in einem bereits mit einigen bekannten Gesichtern aus der Fanszene besetzten Schuppen landete. Die Soundanlage wurde nach und nach übernommen und so schmetterte bei ausgelassener Stimmung ein Klassiker nach dem anderen durch die verrauchte Kaschemme. Gegen fünf Uhr morgens machten sich schließlich auch die Letzten auf den kurzen Weg gen Schlafgemach. Sehr zu meiner Freude hatte der Imbiss direkt gegenüber des Hoteleingangs sogar noch geöffnet. Mit verbleibenden fünf Manat, was etwa 2,80€ entspricht, in der Tasche versuchte ich mein Glück, hierfür noch etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Als mir der Herr hinterm Tresen dafür nicht nur einen heißen Döner, sondern sogar noch manchen Groschen Rückgeld gab, war der Start in den Morgen des Spieltages gerettet.
Für die gemütlichen Biertrinker unter uns und somit auch meine Wenigkeit ging es doch die ein oder andere Stunde früher ins Bett und dadurch gut erholt in den letzten Tag, den man am Kaspischen Meer verbringen durfte. Dass das auserkorene Hotel hier nochmals einen gewissen Vorzug unter Beweis stellte, sollte sich bereits kurz nach dem Aufstehen erweisen. Das Wetter spielte erfreulicherweise erneut mit und so reichte lediglich ein Pulli, um auf der Dachterrasse bei sagenhafter Aussicht das Frühstück zu genießen und mal auf eine nicht gerade alltägliche Art und Weise in den Spieltag zu starten. Das Problem des Unterbringens von Rucksack bzw. Reisetasche nach dem Check-Out konnte damit gelöst werden, dass manche Nase noch eine weitere Nacht in Baku dranhängte, wodurch die Habseligkeiten glücklicherweise bequem von einem in ein anderes Hotelzimmer transportiert werden durften. Am späten Vormittag in den vier Wänden angekommen, die zum Deponieren von Sack und Pack dienten, stand vereinzelten Insassen der weiter oben beschriebene Kneipenabend dann doch ins Gesicht geschrieben. Zum alsbald folgenden Mittagessen steuerten schließlich die Fitten unter Ihnen oder vielmehr jene, die den Folgen der feucht-fröhlichen Nacht mit einer Stärkung entgegenwirken wollten, sowie die Leute, die ausreichend Schlaf abbekommen hatten, abermals ein Restaurant mit landestypischer Speisekarte an. Nachdem die bestellten Gerichte wiederholt den Gaumen erheiterten und die ersten Hopfensprudel genossen wurden, galt es auch etwaigem Durst im weiteren Tagesverlauf vorzubeugen. Bevor man sich am frühen Abend am Platz des Saat Qülləsi einfinden sollte, blieb noch etwas Zeit, um sich im Stadtzentrum umherzutreiben und entsprechend mit Proviant für den Treffpunkt einzudecken. Im Anschluss nochmal geschwind das A und O aus dem Gepäck beisammen gesucht, den Europapokaldress angelegt und dann hatte man ihn nach einem kurzen Fußweg auch schon erreicht: Der deklarierte Treffpunkt, an dem bereits eine solide Menge an Freiburgern aufgeschlagen war.
Es war schon wirklich ein ganz besonderes Bild und eine kaum zu beschreibende Atmosphäre. Bei umwerfender Kulisse wurde munter getrunken und gelacht, nach und nach verabschiedete sich die Sonne hinter der Skyline Bakus und aus den Boxen eines zum Platz hin gelegenen Cafés schallten die Stimmen von Vicky Leandros und Marianne Rosenberg. Doch um ehrlich zu sein, waren diese Augenblicke noch ein ganzes Stück mehr als das. Augenblicke, die einen dann doch einiges aus der Vergangenheit reflektieren ließen und irgendwo auch surreal erschienen. Liegt es doch noch gar nicht so lange zurück, als im Mai 2015 auf dramatische Art und Weise der schmerzhafte Gang in die Zweitklassigkeit besiegelt wurde, so absolviert unser SC Freiburg mit der mittlerweile siebten Saison nach dem Wiederaufstieg seine längste Phase an aufeinanderfolgenden Spielzeiten in der Beletage des deutschen Fußballs und kann insbesondere mit den jüngsten Leistungen ein Zeugnis für die Geschichtsbücher vorweisen. Da wären der erstmalige Einzug in die Gruppenphase der Europa League seit neun Jahren, die historische Premiere im Pokalfinale, eine Bundesliga-Halbserie, in der man fast durchgehend auf einem Champions League-Platz rangiert – Es ließen sich noch so manche Höhepunkte aufzählen. Und nun stand man wirklich am Ufer des Kaspischen Meer, an welches man dem souveränen Spitzenreiter der Gruppe G, dem magischen Sport-Club Freiburg e.V. zum Ausklang eines unbeschreiblichen Jahres 2022 gefolgt war. Wenn in einer Prüfung einmal die Definition des Wortes „unglaublich“ verlangt sein sollte, dann könnte geschilderte Szenerie wohl gut als Musterlösung verwendet werden.
Was den sportlichen Prüfstand unserer Kicker anbelangt, so sollte dieser beim bevorstehenden Aufeinandertreffen mit dem Europapokalteilnehmer aus Aserbaidschan aufgrund des bereits gelösten Tickets für das Achtelfinale ausnahmsweise nicht die übergeordnete Rolle spielen. Der Stimmung unter den Anwesenden tat dies jedoch keinerlei Abbruch, als sich mit zur Verfügung gestellten Reisebussen in Richtung Stadion begeben wurde. Nach kurzweiliger Fahrt, die sich für nicht wenige aufgrund von Blasendrucks wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, war man auch schon am Ziel der Route angekommen. Endlich die Notdurft verrichten und dann nichts wie rein in den Tempel. Hm, nicht ganz. Denn während Kurs auf die Stadioneinlässe genommen wurde, stellte sich heraus, dass es gar nicht möglich war, verschiedene Eingänge zu passieren. Über ein einzelnes mickriges Törchen mussten sich die mehreren hundert SC-Fans Zutritt verschaffen. Wie schon beim FC Nantes, war also mal wieder ein gewisses Maß an Wartezeit mitzubringen. Diejenigen, die den pfortenähnlichen Entree hinter sich gelassen hatten, durften sich anschließend der Personenkontrolle unterziehen. Diese erfolgte durch mit sturmhabenartigen Gesichtsbedeckungen und Schusswaffen ausgestattete Polizeikräfte persönlich, welche hierzu eine Art Scanner zur Hand nahmen, die vermutlich von der Sicherheitskontrolle am Flughafen zweckentfremdet wurden. Auch im Stadion konnte man sich nur fragen, welch krasse Sicherheitsbedenken die örtlichen Behörden beim südbadischen Publikum wohl hegten. Neben weiteren polizeilichen Staatsdienern (zur Abwechslung nicht vermummt), die den für die Mitgereisten auf Höhe der Eckfahne vorgesehenen Block umringten, waren nun auch die Mannen vom Militär mit von der Partie, die auf der gesamten Tartanbahn verteilt und insbesondere vor unserem Bereich postiert waren. Schon irgendwie befremdlich. War also vielleicht gar nicht verkehrt, dass man die Zaunfahnen in den ersten Reihen per Hand festhielt und nicht mit dem Anbringen an einer gitterähnlichen Absperrung quasi in die Obhut der Staatsmacht gab.
Zu meiner großen Überraschung füllte sich das nach einem der Linienrichter des legendären Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft von 1966 benannte Rund im Heimbereich bis auf den letzten Platz. Zum Vergleich: In die eigentliche, weitaus kleinere, Spielstätte von Qarabag Agdam findet in der Regel nur eine Anzahl an Zuschauern den Weg, die dem Haufen Mitfahrender bei Auswärtsspielen der TSG Hoffenheim entspricht. Glücklicherweise hatten pünktlich zu Spielbeginn auch alle, die es mit dem Sport-Club hielten, ihren Platz eingenommen und das gezeigte Intro bestehend aus den von Synthesia angefertigten International-Schals ergab ein optisch ansehnliches Gesamtbild. Die auf dem Rasen zu verfolgenden Bilder spielten sich in Durchgang eins oftmals in unserer Hälfte ab. Vor allem in der Anfangsphase hatte der SCF seine Probleme und man hätte schon meinen können, dass vor lauter Veränderungen in der Startformation, insgesamt zehn an der Zahl, die Defensivarbeit nicht im Gepäck des Mannschaftsfliegers berücksichtigt worden wäre. Für die Gastgeber galt es den zur Teilnahme an der Zwischenrunde berechtigenden Tabellenplatz zwei aus eigener Kraft zu sichern und so erarbeiteten sich diese bereits früh erste Torgelegenheiten, bei welchen die einheimischen Schaulustigen jedes Mal eine extreme Lautstärke erzeugten, selbst wenn das Leder gerade einmal die Mittellinie überquert hatte. Unter den gut 30.000 formierten sich im Übrigen hinter beiden Toren, und somit also auch nicht weit von unserem Distrikt entfernt, Mobs bestehend aus überwiegend jüngeren Leuten, die dem Auftreten zufolge wohl dem Vorbild europäischer Ultras nacheiferten. Tatsächlich beschränkte sich aber insbesondere die in unserer Nähe benachbarte Gruppe auf kompakte, spielbezogene Schlachtrufe bzw. oftmals einfach nur darauf, die Gesänge für die rot-weißen Herren mit unkontrolliertem Lärm einfältig zu torpedieren. Mit dem ersten Vorstoß schlugen derweil unsere Jungs im Stile eines abgezockten Gruppensiegers eiskalt zu. Genauer gesagt Petersen, der einen Elfmeter ins Netz beförderte, nachdem Schade im Sechzehner von den Beinen geholt wurde. Im weiteren Verlauf sollten dem Freiburger Anhang nur noch vereinzelte Offensivbemühungen präsentiert werden, die jedoch auch nicht von Nöten waren. Die Hintermannschaft festigte sich und ein Platzverweis auf Seiten der Hausherren nach etwa einer Stunde spielte einem stabileren Auftritt der SC-Elf in die Karten. Was sich hingegen mit der Zeit leider nicht auf einem besseren Niveau einpendelte, war die Leistung des Gästeblocks. Waren es die teils extremen Reisestrapazen oder einfach die bereits entschiedene Tabellenkonstellation – Unterm Strich blieb man hier einiges schuldig, gerade wenn man bedenkt, was bei den bisherigen Europapokalspielen stimmungstechnisch herausgeholt wurde. Immerhin kamen die weiß-roten Schals bei einem „Wir sind dir treu, Sport-Club Freiburg Allez, Allez!“ nochmals zum Einsatz, bei welchem diese abwechselnd hochgehalten und geschwenkt wurden. Funktionierte an sich gut und wäre vielleicht auch etwas, das durchaus ein weiteres Mal wiederholt werden könnte. Die Stimmung auf der Gegenseite sollte noch einmal kurz hochkochen, als der aserbaidschanische Serienmeister in der Nachspielzeit das 1:1 erzielen konnte. Auch hierbei war auffällig, wie sehr doch die Personen aus den angrenzenden Sektoren überwiegend damit beschäftigt waren, wild mit allerlei Handzeichen in unsere Richtung zu gestikulieren und sich weniger über den Torerfolg ihrer Mannschaft freuten. Was auch immer damit bezweckt werden sollte, letztlich sorgte es bei den Adressaten nur für Irritation. Selbst uns Gästefans, von denen nur Einzelne über Internet außerhalb der jeweiligen Wlan-Verbindung im Hotel verfügten, war nämlich der Zwischenstand im Parallelspiel nicht entgangen, sodass Qarabag durch das Unentschieden auf den dritten Rang der Gruppentabelle abgerutscht war. Noch unpassender als das nicht eindeutig zu interpretierende Verhalten der lokalen Fans, war dann zum Abschluss einer fußballerisch teils eher dürftigen Angelegenheit ein Feuerwerk, welches unmittelbar nach Abpfiff außerhalb der Tribünen in die Luft ging. Mutmaßlich reichte die Verbindung nicht ganz nach draußen, um auch die hierfür Verantwortlichen über den Sieg von Nantes in Piräus in Kenntnis zu setzen. Wobei eher unwahrscheinlich, schließlich steht das Tofiq-Bəhramov-Stadion ja nicht in Deutschland.
Die tadellose Bilanz unseres Sport-Club Freiburg in der bisherigen Europapokalsaison wurde auch vom späten Ausgleichstreffer nicht getrübt. Letztlich grüßte man hochverdient mit 14 von 18 möglichen Punkten ungeschlagen vom Platz der Sonne und darf sich nun auf mindestens ein weiteres Abenteuer in der Runde der letzten 16 freuen. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte übrigens, Chapeau! Insofern Punkteteilung hin oder her, nach den letzten internationalen 90 Minuten des Jahres durfte, wie auch bei den Triumphen in Griechenland und Frankreich, ausgelassen mit dem Team gefeiert werden. So wurde während der halbstündigen Blocksperre zunächst heiter gesungen und anschließend gab das Militär noch ein Unterhaltungsprogramm zum Besten, indem auf der umliegenden Laufbahn ein Sprintmanöver abgehalten wurde. Als dann auch der verlängerte Aufenthalt auf den Rängen beendet war, hatte es am Kaspischen Meer bereits Mitternacht geschlagen und so konnten uns bei entsprechend geringerem Verkehrsaufkommen die bereits wartenden Shuttlebusse relativ fix wieder in der Stadtmitte abliefern. An dem Platz, an dem sich vor wenigen Stunden noch alle mitgereisten Anhänger versammelten, war es dann schon wieder für die Ersten, mich eingeschlossen, an der Zeit gen Heimat aufzubrechen. Also das Taxi direkt vor die Unterkunft, in welcher die Siebensachen gelagert waren, beordert und noch schnell in die Jogginghose geworfen, ehe man sich ohne Umwege zum Flughafen aufmachte. Dort angekommen, waren es dann umgerechnet schlappe 2€ pro Fahrgast, die inklusive Trinkgeld zu entrichten waren. Ja, auch trotz des kurzen Aufenthalts hatte man letztlich den Dreh raus, wie gewisse Dinge in und um Baku funktionierten. Ein drittes Mal Speisen nach landestypischer Art sollte die letzte Mahlzeit in Aserbaidschan leider nicht für uns bereithalten und so wurde sich mangels Alternativen vor Abflug noch beim überregional bekannten Gasthaus zum goldenen M gestärkt. Vor dem Boarding begab man sich dann auf die Mission, die verbliebenen Manat im Geldbeutel zu verpulvern. Durchaus erfolgreich muss man sagen. Als am Gate Platz genommen wurde, war für ausreichend Flüssignahrung gesorgt und der ein oder andere Taler Landeswährung durfte auch als Erinnerung mit nach Hause genommen werden. Hier erspähte man dann auch den vormals höchsten DFB-Repräsentanten, welcher selbstredend erneut in der First Class reiste. Aufgrund der weit vorangeschrittenen Müdigkeit vernahm ich in der Maschine eigentlich nur noch die Grußbotschaft an die anwesenden Freunde des Sport-Clubs von Seiten des Flugbegleiter-Personals, das man bereits vom Hinflug kannte, bevor dann doch die Augen zufielen.
Unmittelbar nach Sonnenaufgang war man dann auch wieder in der größten Stadt Hessens gelandet und nachdem noch etwas Zeit für ein Frühstück beim Bäcker blieb, war man auch schon auf den in südlicher Richtung befindlichen Gleisen unterwegs. Mit der Ankunft am heimischen Bahnhof gegen elf Uhr am Vormittag war dann für uns schließlich die längste Auswärtsreise in der wunderbaren Geschichte des Sport-Club Freiburg e.V. beendet.
Ein Exkurs, der, so ehrlich muss man sein, allein aus finanziellen und organisatorischen Gesichtspunkten, nicht unbedingt jährlich auf der Agenda stehen müsste. Nichtsdestotrotz wollen gesammelte Erfahrungen und gewonnene Eindrücke alles andere als gemisst werden. Es wurde schon so manches im Rahmen von Reisen mit dem SC Freiburg erlebt und man darf auf all das gespannt sein, was künftig die Touren in Europa und in der Bundesrepublik auf der A5 noch so für uns bringen werden. Die Erinnerungen an die wenigen Tage, die man in der aserbaidschanischen Hauptstadt verbringen durfte, werden jedenfalls ein Leben lang bleiben!
So, und wer jetzt immer noch nicht genug von unserem Trip nach Baku hat, dem sei die Rückreise einer Vierergruppe ans Herz gelegt, welche sich mindestens so abenteuerlich gestaltete, wie die weiter oben beschriebenen Gegebenheiten in der bruchbudenartigen Behausung. Aber alles von Anfang. Eine komplette Tagestour in der Stadt, wie sie meine Wenigkeit und andere am Tag vor dem Spiel absolvierten, sollte für die Vier am Freitag anstehen, weswegen sich bewusst für einen Rückflug am Samstagmorgen entschieden wurde. So weit, so gut. Als es dann am Vortag der Abreise mehrmals nicht gelang online für den Flug einzuchecken, stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass die Flugverbindung gestrichen wurde. Beim Verweilen im Fernsehturm bedurfte es also der Buchung eines neuen, weitaus teureren Fluges, doch als dann im weiteren Tagesverlauf wieder in der hotelartigen Unterkunft eingekehrt wurde, ereilte die Crew auch schon die nächste Hiobsbotschaft: Die noch vor wenigen Stunden gebuchte Verbindung heimwärts war ebenfalls storniert worden. Der Abend war somit gelaufen und musste fortan damit verbracht werden, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um irgendwie nach Hause zu kommen. Was heute sicherlich mit einem Schmunzeln erzählt werden kann, zerrte doch sehr an den Nervenkostümen und verlangte den Beteiligten alles ab. Die Suchmaschinen in den Handys liefen rauf und runter, doch es half alles nichts. Letztlich mussten aus der Vierergruppe zwei Zweiergruppen werden, da wirklich keinerlei Alternative bestand. Die Kreditkarten wurden ein letztes Mal ausgereizt und so sollte es für die einen nach Mailand gehen. Da es aber auch hier Probleme mit dem Online Check-in gab, wurde die ganze Nacht vor lauter Sorge vor der nächsten Enttäuschung kein Auge zu getan, ehe man gegen 4 Uhr in der Früh am Flughafen aufschlug. Nachdem dort dann tatsächlich (man mochte es kaum glauben) alles reibungslos lief, ging es also nach Norditalien. Die nächste Destination lautete nach mehrstündigem Aufenthalt dort schließlich Frankfurt am Main und man sollte den Breisgau also in den Abendstunden des Samstages erreichen. Wie es für die deutsche Bahnlinie fast schon üblich ist, rollte der Zug dann noch mit etwas Verspätung gen Freiburg. Am Ende des Tages machte aber auch dieser Umstand den Braten nicht mehr fett und das Colaweizen im Boardbistro ließ man sich gebührend schmecken. Und wie ging es mit Reisegruppe zwei weiter?
Diese versuchte ihr Glück tatsächlich telefonisch bei der deutschen Botschaft in Baku, was jedoch auch kein Erfolg brachte. Ein Strategiewechsel musste her. Nun wurden nicht mehr nur Verbindungen in die Heimat in Betracht gezogen, sondern generell Flüge nach „Europa“ und so wurde es ein Flug nach London am Samstagnachmittag. Ja, richtig gelesen. Vom Kaspischen Meer sollte es also wirklich nach London gehen. Zwar nicht über den Ärmelkanal und doch ein Bier Wert! Denn noch bevor weitere Pläne geschmiedet worden, wie man denn von der Themse an die Dreisam kommen sollte, wurde erst einmal das nächste Lokal für ein Bräu zum Durchatmen aufgesucht. Als es dann am Folgetag zur Mittagszeit läutete, waren die Beiden dann so ziemlich die letzten Freiburger, die sich auf die Heimreise begaben. Wie man sich denken kann, wurde bei den rund sechs Stunden Flugzeit auch zeitweise heimischer Luftraum überquert. Eine Lüge, wenn hier behauptet werden würde, wenn das nicht schon irgendwie deprimierend war. Zweifelsohne überwog jedoch die Erleichterung, dass Südbaden nun nicht mehr über 3000 Kilometer Luftlinie, sondern lediglich knapp 700 Kilometer entfernt lag. Direkt vor Ort in Heathrow wurden dann zwei Plätze im Flieger nach Basel für den Morgen des Sonntages gebucht. Abermals besonders günstig bei British Airways versteht sich. Naja, das Portemonnaie ließ es noch zu, dass sich am Big Ben ein Bierchen genehmigt werden durfte und auch ein kurzer Kneipen-Abstecher sollte anschließend noch folgen. Der Rest der Nacht wurde dann mehr oder weniger schlafend am Flughafen verbracht. Entsprechend gezeichnet von den zurückliegenden Stunden erreichte man dann schließlich Basel um die Sonntagsmittagszeit und wenig später die heimischen Gefilde. Den Besuch des Heimspiels gegen Köln am frühen Abend nahmen dann letztlich auch nur noch 50% des Reisetrupps auf sich, was eben den beschriebenen Strapazen geschuldet war.
Unterm Strich kann als Bilanz festgehalten werden, dass aus einem Freitag in Baku, der eigentlich für das Erkunden der Stadt vorgesehen war, ein zwischenzeitlicher Albtraum vor lauter Stress bei der vergeblichen Suche nach Flügen geworden war und die Reise in Summe dann neben starken Nerven auch eine stattliche dreistellige Summe mehr pro Person als ursprünglich geplant gekostet hat. Rückblickend muss an dieser Stelle aber auch betont werden, dass nach einem Trip nach Aserbaidschan, wie unterschiedlich dieser auch zu Ende gegangen sein möge, die Motivation für weitere Reisen in hoffentlich mehreren K.O.-Spielen in 2023 ungebrochen hoch ist. Kurz um: Völlig egal, was da noch kommt. Wir sind bereit. Immmer vorwärts SC!
*Was schlussendlich Herrn Reinhard Grindel dazu bewog die Reise ans Kaspische Meer anzutreten, ist bis heute ungeklärt. Der frühere DFB-Präsident wurde weder im Stadion noch im Stadtgebiet Bakus gesehen. Wer jedoch einmal die Geschicke eines Vereins federführend leitete, der sich Gemeinnützigkeit auf die Fahnen schreibt und zugleich aber etliche hausinterne Korruptionsskandale vorzuweisen und sich gefühlt wöchentlich vor der Justiz für Steueraffären zu verantworten hat, der kann ja nur dubiosen Schabernack in Aserbaidschan getrieben haben. Wir betonen ausdrücklich, dass wir von sämtlichen zwielichtigen Geschäftsgebaren Abstand nehmen und verweisen auf sachdienliche Hinweise rund um den Aufenthalt Grindels, welche unter info@aufdenspurenkorrupterfunktionäre.de entgegengenommen werden.