„Lasst uns doch künftig die internationalen Vereinswettbewerbe in einem Ligensystem ausspielen!“ „Gute Idee, das kommt zwar quasi einer Super League gleich, wodurch die bestehenden Ungleichheiten zwischen den konkurrierenden Mannschaften weiter gefestigt werden, aber daran wird sich schon niemand stören. Was zählt, ist der Profit!“ „Und wie wäre es mit der Einführung eines Videoassistenten, damit unsere Schiedsrichter auf dem Feld jegliche Autorität verlieren, die getroffenen Entscheidungen rein zu einem Glücksspiel werden und dem Spiel im Prinzip all das genommen wird, was es ausmacht? „Genial und absolut notwendig! Inzwischen hat Fußball erheblich an Popularität eingebüßt und ist neben amerikanischen Sportarten zur Randerscheinung verkommen.“ „Da wäre noch die Sache mit den neu eingeführten Play-off-K.-O.-Runden bei den europäischen Turnieren. Wäre es nicht sinnvoll, diese so zu gestalten, dass Mannschaften, die bereits in der Gruppenphase aufeinandergetroffen sind, im Achtelfinale nicht erneut gegeneinander spielen können?“ „Ach Quatsch, das passiert doch eh nie und selbst wenn, trägt das überhaupt nicht dazu bei, dass der Wettbewerb entwertet wird.“

So ungefähr müssen sich Gedankenspiele in der Führungsriege der Union of European Football Associations, kurz UEFA, zutragen. Anders kann man es sich wirklich nicht erklären, wie die weitreichenden Eingriffe seitens dieses Verbandes in die Europapokalwettbewerbe und unseren heiligen Volkssport zustande kommen. Und natürlich dann, wenn eine Maßnahme tatsächlich ausnahmsweise eine sinnvolle Konsequenz zur Folge hätte haben können, gibt es sie nicht. In der Euphorie im Anschluss an ein filmreifes Comeback und Weiterkommen gegen den RC Lens war man noch gar nicht in der Lage, sich mit allen potenziellen Kontrahenten und etwaig präferierten Reisedestinationen für die zweite Europacupachtelfinal-Teilnahme in Folge und der Vereinsgeschichte näher auseinanderzusetzen, da stand bereits eines allgemeingültig fest: Nach den Eindrücken von Mitte Dezember 2023 riss sich wirklich niemand um ein wiederholtes Stadionerlebnis bei West Ham United. Nun ja, wie das Ganze schließlich keine 24 Stunden nach dem Sieg in der Playoff-Zwischenrunde bei der Auslosung ausging, ist bekannt. Besonders bitter machte die Sache, dass man mit Atalanta Bergamo und Slavia Prag als die einzig verbliebenen Alternativen auch noch zwei Kalibern der Kategorie „Wunschlose“ nur um Haaresbreite aus dem Weg ging. Aber gut, man muss es bekanntlich nehmen, wie es kommt und es galt das Beste aus der Situation zu machen. Immerhin lässt sich London so gut wie täglich von jedem um Freiburg herum befindlichen Flughafen erreichen und so sollte das fünfte internationale Abenteuer für mich ganz gemütlich am späten Mittwochmorgen ab Basel starten.

Den Nachmittag an der Themse vertrieb man sich dann mit den Sightseeing-Unternehmungen, die sich rund ein Vierteljahr zuvor zeitlich nicht mitnehmen ließen und für das Programm zu späterer Stunde bot sich wieder einmal ein in nächster Nähe zum Schlafplatz gelegener Pub an, um noch das ein oder andere alkoholische Kaltgetränk zu verhaften. Alt wurde man im Verlauf des in der Kneipe verbrachten Abends jedoch nicht nur wegen der in England im Normalfall ab Mitternacht geltenden Sperrstunde nicht. Da der zweite Tanz mit den Hammers bereits um 17:45 Uhr Ortszeit über die Bühne gehen sollte, galt es noch die ein oder andere Stunde an der Matratze zu lauschen. Schließlich musste für die Anreise aus dem Stadtkern in den Nordosten Londons nicht wenig Zeit eingeplant werden, weshalb der Spieltag quasi mit dem Aufstehen begann. Auf dem Weg zum ab 12:00 Uhr ausgerufenen Treffpunkt noch schnell ein Lokal aufgesucht, um sich mit english breakfast (das einzig halbwegs Genießbare der Inselküche) zu stärken und dann hatte man auch schon im Außenbereich der „The People’s Park Tavern“ mit einem Hopfensprudel in der Hand Platz genommen. Wie es ab hier weitergeht, lässt sich ja im Reisebericht zur Vorrundenpartie nachlesen – Quatsch. Das wäre ja nun wirklich nicht der Always A5-Redaktion würdig und natürlich war auch die Ausgangslage eine völlig andere, als dies noch drei Monate zuvor der Fall war. Schließlich konnte der Sport-Club die vorangegangenen 90 Minuten im heimischen Mooswaldstadion mit 1:0 für sich entscheiden und ging somit mit einem kleinen Vorteil ins Rennen. Da wäre es doch glatt gelogen, wenn man sich mitunter nicht bei der Hoffnung darauf erwischte, die Kicker aus dem Breisgau würden den knappen Vorsprung ins Ziel bringen und den augenscheinlich in so vielen Belangen überlegenen Gegner aus der Premier League in die Knie zwingen.

In welcher Hinsicht der englische Kontrahent jedoch klar das Nachsehen gegenüber Weiß und Rot hatte, stellte sich schon beim Aufeinandertreffen in der Gruppenphase heraus: Eine lautstarke, lebhafte und unbezahlbare Anhängerschaft. Und da man die Vor-Ort-Gegebenheiten vom zurückliegenden Besuch bereits kannte, machte man es sich beim Treffpunkt zur Aufgabe, diesen Vorteil möglichst kreativ und farbenfroh ins Stadion zu tragen. Neben eigentlich verbotenen Zaunfahnen und Megafonen (still fuck tifo ban!) fanden letztlich auch Luftballons, Regenschirme und reichlich Konfetti den Weg in den Gästeblock. Um dieses Mal auch die Gesänge rhythmisch begleiten zu können, wurde sich zudem mit kleinen von Fasnachtsumzügen bekannten Trommelblock-Elementen ausgerüstet, bei welchen insbesondere die dafür benötigten Schläger auf teils sehr abenteuerliche Weise durch die Einlasskontrollen geschleust wurden. Leider erzielten die Teile dann doch nicht den erhofften Effekt, was aber dem Gesamtauftritt der SC-Fans keineswegs schadete. Zwar kam mir persönlich das heimische Lager mit dem landestypischen Gegröle und Gepöbel doch etwas lauter als bei der letzten Begegnung vor, vermutlich war dies aber schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass aufgrund der Kurzfristigkeit „nur“ zweieinhalb Tausend Köpfe aus dem Breisgau zum wiederholten Male die Insel angesteuert hatten. Denn in akustischer Hinsicht hatten die anwesenden Freiburgerinnen und Freiburger wie auch beim Gruppenspiel wieder einmal zweifelsfrei die Nase vorn. Um allerdings mit dem Vorsprung im Rücken das Ticket für das Viertelfinale zu lösen, mussten auch die Herren mit dem Greif auf der Brust über sich hinauswachsen und taten gut daran, den eigenen Kasten erst einmal so lange wie möglich sauber zu halten. Doch ärgerlicherweise konnten die Hausherren das Hinspielergebnis umgehend mit der ersten nennenswerten Offensivaktion in der Anfangsphase egalisieren. Die Bemühungen zurückzuschlagen, waren dem SCF nicht abzusprechen, das Heft des Handelns ließ sich die Gegenseite jedoch ehrlicherweise zu keinem Zeitpunkt aus der Hand nehmen. So stand es bereits kurz nach Wiederbeginn 3:0 und auch wenn hier und da die leise Hoffnung aufkeimte, die Angelegenheit mit dem Anschlusstreffer nochmals spannend zu machen, war gegen den dreifachen Pokalsieger Englands letztlich nichts auszurichten. In der Schlussviertelstunde legte Mohammed Kudus mit einem Doppelpack die Treffer vier und fünf nach. Geld schießt manchmal eben doch Tore.

Das beste Beispiel dafür, was im Fußball mit auch noch so viel Geld allerdings nicht zu erwerben ist, lieferte der aus Südbaden angereiste Anhang. Wie bereits im vergangenen Dezember hatten viele der Konsumenten auf den umliegenden Tribünen trotz des eindeutigen Ergebnisses genug gesehen und strömten zu den Ausgängen, noch bevor der Viertelfinaleinzug West Hams amtlich war. Im Gästeblock dagegen ließ man es sich nicht nehmen, die letzten europäischen Minuten der Saison bis zuletzt gesanglich-lautstark auszukosten und der Sport-Club Delegation nach Abpfiff Respekt für eine wieder einmal beachtliche Reise über den europäischen Kontinent zu zollen. In den beiden abgelaufenen Spielzeiten hatte uns diese von Touren über die Alpen bis ans entlegene Kaspische Meer nun sogar tatsächlich gleich zweimal nach London – und hier vereinzelt wirklich über den Kanal – geführt und so bestand auch beim gemeinsamen Ausklang des Abends im Pub obgleich der klaren Niederlage kein Zweifel: Die zurückliegenden internationalen Trips mit dem SCF waren mitunter gewagt bis belastend, spaßig bis herausfordernd und definitiv besonders bis unvergesslich. Eines waren und sind sie aber gewiss nicht – selbstverständlich. Wir heben die Pints und sagen: Cheers Sport-Club Freiburg e.V.!

Daten & Fakten Hinspiel:

Begegnung: Sport-Club Freiburg e.V. – West Ham United 1:0 (0:0)
Wettbewerb: Europa League – Achtelfinale, Hinspiel
Wann und Wo: Donnerstag, 7. März 2024, Mooswaldstadion Freiburg
Zuschauerzahl: 34.700
Den Greif auf der Brust trugen: Atubolu – Sildillia (82. Kübler), Ginter, Gulde, Günter – Doan (82. Muslija), Eggestein, Höfler, Grifo (70. Weißhaupt) – Höler (70. Gregoritsch), Sallai (88. Röhl)
Tore: 1:0 Gregoritsch (81.)

Daten & Fakten Rückspiel:

Begegnung: West Ham United – Sport-Club Freiburg e.V. 5:0 (2:0)
Wettbewerb: Europa League – Achtelfinale, Rückspiel
Wann und Wo: Donnerstag, 14. März 2024, London Stadium, London
Zuschauerzahl: 51.014, davon etwa 2.400 SC-Fans
Den Greif auf der Brust trugen: Atubolu – Sildillia (68. Röhl), Ginter, Gulde (62. Kübler), Günter – Doan, Eggestein, Höfler (62. Muslija), Grifo (46. Gregoritsch) – Sallai, Höler (68. Philipp)
Tore: 1:0 Paquetá (9.), 2:0 Bowen (32.), 3:0 Cresswell (52.), 4:0 Kudus (77.), 5:0 Kudus (85.)