Bačka Topola… ein Ort, der vor der diesjährigen Europapokalauslosung wohl nur den wenigsten von uns wirklich etwas gesagt hat. Während die einen eher enttäuscht von diesem Los waren, gab es durchaus auch Begeisterung für einen Trip in die nordserbische Provinz. Doch wie kommt man eigentlich am bequemsten an besagten Ort und darf der serbische Vizemeister seine internationalen Heimspiele überhaupt in einer doch sehr kleingeratenen Sportanlage bestreiten, mit welcher es in Deutschland vermutlich schon für die Drittligalizenz eng werden könnte? Um die Antwort auf letztere Frage vorwegzunehmen, ja darf er. Schließlich ist das erst 2021 eröffnete Teil hochmodern und wenn der sympathische Victor Orban schon einiges an Kohle für den Fußball im Grenzgebiet locker macht, dann kann bei den UEFA-Regularien in Bezug auf die Kapazitätsvorgaben schon mal ein Auge zugedrückt werden. Zu einer Verlegung des Austragungsortes kam es also nicht und so blieb es bei den gut 1.300 Kilometern Entfernung zwischen Breisgau und dem Reiseziel des zweiten europäischen Abenteuers in der laufenden Saison. Für einen Trip über die Straßen war es den meisten dann doch zu weit, sodass beim Luftweg Belgrad oder Budapest zur Auswahl standen.

Die Mehrheit unserer Gruppe und damit auch der Autor dieser Zeilen entschied sich letztlich für eine Verbindung von Memmingen nach Belgrad, wo sich die ersten unserer Reisegruppe bereits zwei Tage vor dem Spiel einfanden. Nach Landung ging es von der serbischen Hauptstadt aus nochmal ein Stück näher ran an den späteren Spielort, genauer gesagt nach Novi Sad. Die geplante Tour zögerte sich zunächst allerdings noch unnötig in die Länge, da man am Flughafen fast länger auf einen der Mietwagen wartete, als der Flug dauerte. Irgendwann konnte uns eine der Firmen also endlich eine Karre zur Verfügung stellen, ehe damit schnurstracks die zweitgrößte Stadt des Landes angesteuert wurde, in welcher die Zelte für den gesamten Aufenthalt aufgeschlagen wurden. Nachdem hier inzwischen auch der Belgrader Sightseeing-Trupp sowie eine Autobesatzung eingetrudelt war, wurde der Abend mit lokalem Essen und Bier eingeleitet. Erste Tipps von früher Angereisten konnten dabei direkt wahrgenommen werden. Merci an der Stelle! Später ging es in eine Kneipe, wo man gegen 21 Uhr noch allein saß und auch keinen großen Ansturm mehr erwartete. Überraschenderweise füllte sich diese aber zu späterer Stunde, wie auch die umliegenden Läden, noch ordentlich für einen Mittwochabend. Begleitet wurde das Ganze von einem serbischen Livemusiker und so endete der Tag doch sehr spät, bzw. schon wieder früh, nachdem es jeder wieder, teils mit etwas Akrobatik, in die Unterkunft schaffte.

Am Spieltag stand Ausnüchtern oder wahlweise auch eine Erkundungstour in Stadtgebiet und Umgebung auf dem Programm, bis am Nachmittag die Shuttlebusse nach Bačka Topola bereitstanden. Hier wurde beim Einstieg sorgsam darauf geachtet, dass jeder auch nur mit maximal einem Bier einsteigt, was bei einer guten Stunde Fahrtdauer dann doch etwas knapp kalkuliert war und glücklicherweise hier und da auch umgangen werden konnte. Gemeinsam mit jenen Schlachtenbummlern, deren Busse sich von Belgrad aus in Bewegung setzten, erreichte man gegen 14 Uhr den ausgerufenen Treffunkt, von wo aus man die Flutlichtmasten der kleinen Arena bereits sehen konnte. Da der Platz aber dann doch recht wenig einladend war und einem zum ersten Mal ein markanter Gestank in die Nase stieg, entschied man sich die Kneipe ums Eck aufzusuchen, in der bis zur Rückkehr an den Park Prisajedinjenja sehr günstiges Bier konsumiert werden konnte. Um den unangenehmen Geruch in der Nase kam man allerdings auch hier nicht wirklich drumherum. Woher der Gestank wirklich kommt und ob es dort immer so riecht, ist mir bis heute nicht ganz klar, öfter war jedoch von einer Fabrik, die Tierreste verarbeitet, die Rede.

Über einen kurzen Fanmarsch ging es zum Stadion und mit ersten lautstarken Gesängen kam man auf volle Betriebstemperatur, welche am Einlass dann doch wieder rasant in den Keller sauste. Dass für ein farbliches Intro mehrere kleine Folienfahnen angesichts einer Beschränkung von zehn Schwenkfahnen à maximal 1,5 Meter Länge eventuell nicht den Weg ins Stadion finden würden, war leider zu befürchten. Spontan entschieden sich die Ordnungshüter jedoch dazu, diese Regelung auch auf Zaunfahnen auszuweiten. Was man erst für einen schlechten Scherz hielt, zog Diskussionen über eine Dreiviertelstunde nach sich, welche an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten waren. Wie aus dem Nichts waren Teile des Security-Personals nicht mehr der englischen Sprache mächtig, obwohl sie uns gerade noch weis machen wollten, dass die Größe der Gruppenbanner nicht der Stadionordnung entsprechen würden. Natürlich war dann auch kein Entscheidungsträger zu sprechen und niemand der Anwesenden in der Lage zu erklären, weshalb der Anhang von Olympiakos Piräus, der ja zufälligerweise freundschaftliche Kontakte in die Hauptstadt Serbiens pflegt, im vorangegangenen Gruppenspiel ohne Weiteres seine Materialien am Zaun anbringen durfte. Nebenbei bemerkt wurde dieses Theater auch vor den regulären Einlässen abgezogen. Eine Vielzahl von SC-Fans mussten vor Passieren der Stadiontore ihren Schal kontrollieren lassen oder wurden kurzerhand ihres Münzgeldes einfach entledigt, da dieses ja als Wurfgeschoss dienen könne und demnach ebenso verboten sei. Auch wurde Leuten im Petersen-Trikot ob der Rückennummer 18 der Eintritt verweigert, dass zugleich in den Reihen der Hausherren jedoch ein Spieler die 88 auf dem Sportdress trägt, schien die Verantwortlichen nicht zu stören. Nachdem man es mit der Zaunfahne fast schon aufgegeben und manches Mitglied abgewogen hatte, dem Spiel fernzubleiben, wurde ein letzter Versuch über die angrenzenden Sitzplätze gestartet, wo sich (fragt nicht, warum) für unseren Rucksack und seinen Inhalt keine Sau interessierte. Manchmal siegt eben auch einfach Dreistigkeit. Mit etwas Wut im Bauch konnte man kurz vor Spielbeginn also endlich anflaggen und mit dem Support loslegen.

Dass die knapp 450 Freiburgerinnen und Freiburger auf Steh- und Sitzplatzblock strikt getrennt waren, hatte keine negativen Auswirkungen auf die Stimmung. Im Gegenteil: Mit ordentlicher Lautstärke schallten die ersten Lieder durch die kaum gefüllte Arena. Von der gegenüberliegenden Glaswand-Tribüne, in die mal ein Hotel kommen soll, war höchstens das eigene Echo zu vernehmen. Genutzt wurde die Anfangsphase auch um das inzwischen bestens bekannte “Wo auch immer du spielst…” ordentlich einzulernen und in synchronem Takt zu perfektionieren. Nachdem auf dem Rasen das Problem mit gefühlt dutzend platten Bällen gelöst war, konnte endlich auch gekickt werden. Doch platt wirkte erstmal auch unsere Elf, die nach zwölf Minuten sogar den Gegentreffer hinnehmen musste und noch in Abschnitt eins zudem mit Sallai und Philipp gleich zweimal Verletzungspech erlitt. Im zweiten Durchgang drehten unsere Jungs dann endlich auf. Jeweils eine durch Grifo zu bejubelnde Bude per Elfmeter, direktem Freistoß und aus dem Spiel heraus bescherten unserer 32 den Hattrick und uns allen den wichtigen Auswärtsdreier. Während die Hammers in Piräus patzten, war man nach dem zweiten Erfolg im dritten Gruppenspiel also wieder punktgleich oben mit auf, was natürlich lautstark mit der Mannschaft gefeiert wurde. Zur Heimseite gibt es, auch wegen dem Fernbleiben der Fanszene (hier ist es ähnlich wie bei unserem Heimspiel gegen West Ham zu einem Fanausschluss aufgrund von Vorfällen im Zuge vorangegangener Spiele gekommen), eigentlich nichts zu erwähnen. Kurzes Gepöbel zwischendurch wurde mit einem “you smell like shit!” gekontert.

Nach Ende der Partie und der Feierlichkeiten ging es erfreulicherweise mal ohne längere Blocksperre zurück zu den Shuttle Bussen, wo sich die Wege für die Reisegruppen Belgrad, Budapest und Novi Sad wieder trennten. In Novi Sad war für uns somit zu später Stunde noch Zeit für ein Kaltgetränk, ehe die per Flugzeug angereisten Nasen im Laufe des Freitags den Rückweg antraten – Gerade noch rechtzeitig, bevor einer der Mietwagen auf dem Abschlepper davongefahren wäre. Somit ging eine weitere erlebnisreiche Reise zu Ende, die vor allem auch erneut Zählbares für das Punktekonto beinhaltete. Nur mehr davon! So macht Europapokal einfach süchtig.

Daten & Fakten:

Begegnung: FK TSC Bačka Topola – Sport-Club Freiburg e.V. 1:3 (1:0)
Wettbewerb: Europa League – Gruppenphase, 3. Spieltag
Wann und Wo: Donnerstag, 26. Oktober 2023, TSC Arena, Bačka Topola
Zuschauerzahl: 4.000, davon etwa 450 SC-Fans
Den Greif auf der Brust trugen: Atubolu – Lienhart, Ginter, Gulde – Doan (80. Kübler), Eggestein (80. Sildillia), Höfler, Weißhaupt – Sallai (23. Höler), Philipp (45. Gregoritsch), Grifo (80. Adamu)
Tore: 1:0 Petrovic (12.), 1:1 Grifo (49., Handelfmeter), 1:2 Grifo (59.), 1:3 Grifo (73.)