Wer wird sich nicht mehr daran erinnern können? Am Schaltjahrestag 2020 steht die Partie des FC Bayern in Sinsheim kurz vor dem Abbruch, weil der ortsansässige Mäzen Dietmar Hopp von Seiten des Gästeanhangs auf Transparenten und mit Gesängen als Nachfahre einer Prostituierten bezeichnet wird. Die Ultras aus der bayrischen Landeshauptstadt reagierten damit auf die kürzlich zuvor verhängte Kollektivstrafe, mit welcher der DFB für zwei Jahre Fans von Borussia Dortmund für Gastspiele im Kraichgau ausschloss, nachdem die Szene des BVB in der Vergangenheit auf ähnliche Weise ihren Ärger über die Kommerzialisierung des Fußballs und das Konstrukt TSG Hoffenheim im Stadion zum Ausdruck gebracht hatte. Es war also vollkommen richtig, dass das Schiedsrichtergespann hier anhand des sogenannten Drei-Stufen-Plans, der bei diskriminierenden Vorfällen im Stadion zum Einsatz kommen soll, vorgegangen ist, weil ein reicher, weißer Mann mit dem Gegenwind aus einer im Fußballkosmos vergleichsweise kleinen Subkultur nicht umgehen kann, während das Pokalduell zwischen Schalke 04 und Hertha BSC wenige Wochen zuvor trotz rassistischer Beleidigungen gegenüber dem Berliner Jordan Torunarigha weder unter- noch abgebrochen und dem Vorfall nicht ansatzweise so viel mediale Aufmerksamkeit wie den Protestaktionen der Münchner Schickeria und Co. geschenkt wurde.

Nun hat aber mal die fast schon unangebrachte Ironie ein Ende und wir klären erst einmal die Frage, was denn die Vorkommnisse im Rahmen einer Partie ohne Freiburger Beteiligung in diesem Rückblick verloren haben. Ganz einfach: Unwissentlich sollte dieser 29. Februar 2020 der letzte Tag sein, an welchem wir unserem SCF zu Auswärtsspielen hinterherreisen konnten, ehe das Pandemie-Geschehen das Wochenendprogramm auf das Sofa verlagerte. Damals führte uns unser Weg nach Dortmund, wo es, wie so oft schon, abermals nichts für uns zu holen gab (BVB-SCF 1:0). Heute, gut drei Jahre später ist bei Weitem nicht mehr alles so wie es vor Covid war und doch gibt es Dinge, die sich nicht gewandelt haben: Unparteiische nehmen in Einzelfällen immer noch in Kurven gezeigte Spruchbänder, die ganz klar keinerlei diskriminierende Botschaften transportieren, zum Anlass Bundesligaspiele willkürlich zu unterbrechen, der Milliardär aus dem Rhein-Neckar-Kreis ist immer noch ein… gut, das sollte inzwischen jedem bekannt sein und unser Sport-Club Freiburg geht bei Besuchen bei der Dortmunder Borussia mal wieder leer aus.

Ja, es gibt wohl nur wenige Bilanzen, die sich so schlecht lesen, wie die rot-weiße Punkteausbeute in der Heimstätte des achtmaligen Deutschen Meisters. Vor dem aktuellsten Aufeinandertreffen absolvierte man im Fußball-Oberhaus 22 Auftritte im Westfalenstadion, von welchen 18 verloren gingen. Dreimal wurden die Punkte geteilt, nur im Oktober 2001 durfte die Truppe mit dem Greif auf der Brust zum bis heute einzigen Mal das Feld als Sieger verlassen und so gab es im Vorfeld der Begegnung quasi nichts, was einen an den ersten Erfolg nach etwas mehr als zwei Jahrzehnten glauben ließ. Ähm, um ehrlich zu sein doch. Schließlich rangierte man vor dem Spiel punktgleich mit den Hausherren auf einem Europapokalplatz und konnte den „Angstgegner“ in der jüngeren Vergangenheit bei gleich zwei aufeinanderfolgenden Kräftemessen an der Dreisam bezwingen. Der Autor dieser Zeilen zeigte sich jedenfalls schon mal pessimistischer, als es zu den Schwarz-Gelben aus dem Ruhrpott gehen sollte.

Bedauerlicherweise musste jedoch früh festgestellt werden, dass unsere SC-Elf der spielerischen Klasse der Gastgeber an diesem Nachmittag nicht gewachsen war. Erst recht nicht, als diese nach gut einer Viertelstunde durch einen sicher diskutablen Platzverweis auf zehn Kicker dezimiert wurde. Durch den völlig aus dem Nichts erzielten Ausgleich von Höler konnte zwar der Mitte der ersten Hälfte gefallene Führungstreffer der Heimseite quasi mit dem Halbzeitpfiff egalisiert werden und es keimte doch nochmal Hoffnung auf, dass sich die Jungs an diesem unerwarteten Erfolgserlebnis hochziehen könnten. Doch ein fataler Start in den zweiten Durchgang mit gleich zwei Gegentoren binnen drei Minuten ließ die Befürchtung einer weiteren Packung auf fremden Terrain aufkommen, welche sich mit dem 5:1-Endergebnis leider auch bewahrheitete. Sicher nicht das erste Resultat dieser Größenordnung, das beim Ballspielverein Borussia verbucht wurde und doch einfach bitter, da nun so zusammen mit der Abfertigung in Wolfsburg das zur Winterpause erarbeite, eigentlich durchaus solide Torverhältnis endgültig futsch ist. Ebenfalls keine Premiere feierte im Übrigen der schwache Gesangsauftritt des Gästeblocks. Wirklich schade und alles andere als verständlich, aber leider gelang es mal wieder nicht das Potential von mehreren Tausend nach Dortmund mitgereister Freiburger Kehlen zu bündeln, um so eine ansprechende Leistung an den Tag zu legen.

Zu überzeugen wusste dafür das Gesamtbild einer zu Spielbeginn gezeigten Choreografie, mit welcher den Verstorbenen des politisch motivierten Anschlages vom 1. Februar 2012 auf die Anhänger von Al Ahly aus Kairo bei einem Ligaauswärtsspiel in Port Said gedacht wurde. Die Ultras aus der ägyptischen Hauptstadt pflegen seit vielen Jahren einen guten Kontakt zu Freiburger Gruppen. Durch das Massaker, das als eine der schrecklichsten Tragödien in der Fußballgeschichte gilt, verloren 72 Fans von Al Ahly ihr Leben. Zwei weitere Personen aus der Fanszene des Clubs wurden bei Protesten wenige Wochen vor und nach dem Spiel getötet.

An dieser Stelle können wir diesen Rückblick nur mit den einzig richtigen Schlussworten schließen: Never forget the 74 – Ultras forever!