Der Sport-Club Freiburg e.V. im Pokalfinale. Es ist ein Spiel der Gegensätze. Auf der einen Seite der eingetragene Verein mit einer demokratischen Organisationsform, der zu 100 Prozent seinen Mitgliedern gehört. Auf der anderen Seite der mit sehr viel Geld aufgepumpte Marketing-Ableger des österreichischen Milliarden-Konzerns Red Bull.

RB Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren im deutschen Profifußball etabliert. Das heißt aber nicht, dass Spiele gegen diesen Club (der Begriff “Verein” verbietet sich) normal sind. Sie werden es niemals sein!

Wir wollen Euch hier kurz in Erinnerung rufen, gegen wen wir im Pokalfinale antreten und wie es dazu kommen konnte. RB Leipzig ist ein Problem, aber es ist auch ein Symptom des kranken Systems Profifußball. 

Das Unternehmen Red Bull und dessen Marketingkonzept

Dietrich Mateschitz gründete 1984 die Red Bull GmbH mit Hauptsitz im österreichischen Fuschl am See. Zu dieser Zeit waren Energy-Drinks in Europa weitestgehend unbekannt, im Gegensatz zu Südostasien, wo die Drinks bereits weit verbreitet waren. Mateschitz wurde auf einer Dienstreise darauf aufmerksam und erwarb die Lizenzrechte an einer thailändischen Marke, deren Name sich in etwa mit „roter Stier“ übersetzen ließ. Heute ist das Unternehmen weltweit bekannt und fährt auf Konzernebene Milliardenumsätze ein. Red Bull wird meistens als Getränkehersteller betitelt, was bei genauer Betrachtung jedoch nicht wirklich korrekt ist. Es handelt sich vielmehr um eine Verkaufsmaschine, denn die weltweit mehr als 13.000 Mitarbeitende arbeiten beinahe alle ausschließlich im Marketing und Vertrieb. Die eigentliche Produktion, Abfüllung und Logistik übernehmen externe Dienstleister.

Ein Blick auf die Homepage des Unternehmens bestätigt das. Auf der gesamten Startseite lässt sich kein einziger Hinweis auf das vermeintliche Produkt, den Energy Drink aus der Dose, erkennen. Vielmehr werden gesponserte Events, Sportler*innen oder Musiker angepriesen. Das Kerngeschäft liegt nicht in der Produktion des Getränks, sondern in der Pflege der Marke und dessen Wertsteigerung. Das ist das Herz von Red Bull – nicht etwa die Anzahl der verkauften Dosen. 

Im Gegensatz zu anderen Großunternehmen nahm Red Bull hierfür aber keine bekannten Superstars unter Vertrag. Vielmehr spezialisierte es sich zunächst auf eine Nische: Extremsportarten. In diesem Bereich ist Red Bull omnipräsent und sponsert so ziemlich jedes Event oder angesagten Star. Surfen, Skaten, Snowboarden, Breakdancen: Red Bull ist überall vertreten. Doch der Extremsport birgt auch reichlich Gefahr. So sind bei Red Bull Veranstaltungen in den vergangenen Jahren mehrere Sportler*innen tödlich verunglückt. 

Red Bull und der Fußball: Ein Blick nach Österreich

Doch neben den Extremsportarten entdeckte das Unternehmen immer mehr jene Sportarten, welche ganze Massen in ihren Bann ziehen. So hat Red Bull gleich zwei Rennställe in der Formel 1 und auch Eishockey-Vereine, beispielsweise in München. Aber lasst uns zum Fußball kommen. Derzeit besitzt Red Bull drei Fußballvereine, die den Firmennamen vollständig im Vereinsnamen tragen: FC Red Bull Salzburg, New York Red Bulls sowie Red Bull Brasil. Auf die Teams in New York und Brasilien wollen wir im Folgenden nicht näher eingehen, jedoch lohnt es sich, die Übernahme von Red Bull in Salzburg genauer zu betrachten. Diese gibt tiefe Einblicke in die wahre Motivation des Unternehmens, dessen Logik und Denkweise, aber auch Berechenbarkeit und Kälte.

Im Sommer 2005 stieg die Red Bull GmbH bei der verschuldeten Salzburger Austria als Sponsor ein. Etwa zwei Monate nach dem Einstieg wurde bei der Mannschaftspräsentation deutlich, wie wenig den neuen Eigentümer die Tradition des Vereins kümmert. So trug nicht nur der Vereinsname fortan den Namen des neuen Sponsors, auch wurden die Vereinsfarben (violett-weiß) komplett ausgetauscht. Ab sofort sollte zu Hause in rot-weiß und auswärts in blau gespielt werden. Auch sollte als Gründungsjahr 2005 und nicht mehr 1933 genannt werden, was erst nach Eingreifen der österreichischen Liga wieder rückgängig gemacht wurde, da nur somit eine Wahrung der Vereinsidentität (wovon abseits des Papiers jedoch nicht die Rede sein kann) vorliegt. Als komplett neu gegründeter Verein hätte Red Bull in der untersten Spielklasse starten müssen. Die Austria diente ausschließlich als Lieferant für die Bundesligalizenz.

Als Reaktion darauf wurde von Fans die „Initiative Violett-Weiß“ gegründet, mit dem Ziel, die Tradition des SV Austria Salzburg auch bei Red Bull Salzburg beizubehalten. Als Zugeständnis bot der Club den Fans an, das Logo des Trikot-Herstellers violett zu färben, ebenso die Kapitänsbinde und die Torwartstutzen. Nur wenige Monate später ließen die Fans am 7. Oktober den „Sportverein Austria Salzburg“ in das Vereinsregister eintragen und belebten so ihren eigenen Verein.

Die Gründung von RB Leipzig

Nach Österreich also Deutschland. Denn der ganz große Wurf blieb in Salzburg aus. Zwar wurde die Meisterschaft seit 2005 ganze zwölf Mal gefeiert. Das große Ziel, die Teilnahme an der Champions League, wurde jedoch viele Jahre jedes Mal aufs Neue erfolgreich vermasselt.

Doch die CL sollte langfristig mit einem Red Bull-Team besetzt werden. Im Frühjahr 2011 äußerte sich Mateschitz wie folgt: „Wir bauen RB Leipzig mit dem Ziel auf, in drei bis fünf Jahren in der Bundesliga zu spielen. Wir wollen auch in der Champions League dabei sein.” Er sollte Recht behalten. 

Bereits 2006 versuchte der Konzern in Leipzig Fuß zu fassen. Red Bull war allerdings mit der Übernahme des FC Sachsen Leipzig gescheitert. Der FC Sachsen Leipzig spielte damals in der vierthöchsten Spielklasse. Der Versuch scheiterte, da sich Clubs der obersten vier Spielklassen dem DFB-Lizenzierungsverfahren unterziehen mussten. Der DFB legte damals ein Veto ein, da er eine zu große Einflussnahme des Investors befürchtete. Auch hätte die geplante Umbenennung in „Red Bull Leipzig“ gegen die Statuten des DFB verstoßen, welche die Änderung des Vereinsnamens zugunsten eines Sponsors verbietet. 

Folglich suchte Red Bull eine Möglichkeit, um diese Regelung zu umgehen und wurde in der fünfthöchsten Spielklasse fündig, da in dieser die DFB-Lizenzbestimmungen nicht mehr galten. Auf der Suche nach einem geeigneten Übernahmeverein stieß man schließlich auf den SSV Markranstädt, ein Oberligist in einer Randgemeinde von Leipzig. 

Vor gut 13 Jahren, im Mai 2009, gründete Red Bull den „RasenBallsport Leipzig e.V.“, kaufte und übernahm das Spielrecht vom SSV Markranstädt und startete in der Saison 2009/2010 in der Oberliga. Verwundert wird sich so mancher die Augen beim Kürzel e.V. („eingetragener Verein“) reiben. Die Lizenzspielerabteilung sowie die Nachwuchsabteilungen bis zur U16, also die gesamte Fußballabteilung, wurde mit dem Aufstieg in die 2. Liga im Jahr 2014 in die „RasenBallsport Leipzig GmbH“ ausgegliedert. Deren Gesellschafter sind zu 99% die Red Bull GmbH und zu einem Prozent der Verein. 

Die Rolle von Verbänden, Regelungen und Funktionären

Wie die Übernahme genehmigt werden konnte, ist nicht nachvollziehbar. Sowohl der Landesverband, der DFB und auch die DFL hätten Red Bull einen Riegel vorschieben können, wenn sie ihre eigenen Statuten und Regeln ernst genommen hätten.

In den Regularien des sächsischen Fußballverbands heißt es: „Die Neugebung (…) von Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung sind unzulässig“. Wie kann ein Logo mit zwei roten Stieren und einer Abkürzung im Sinne des Firmennamens nicht als Werbung verstanden werden?

Und der DFB? Deren Vertreter ließen immer wieder ihre positive Haltung gegenüber RB und den geplanten Aktivitäten in Leipzig durchblicken. Bei genauerem Hinblicken lässt sich auch vermuten, warum. So war beispielsweise der damalige DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock von 2006 bis 2008 Geschäftsführer bei Red Bull Salzburg. Ein ehemaliger Red Bull-Funktionär als höchster Hauptamtlicher im DFB und stimmberechtigtes Mitglied im Präsidium? Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Doch auch ein Wechsel in die andere Richtung war möglich. Ulrich Wolter wechselte 2012 vom DFB nach Leipzig, um dort als Geschäftsführer anzufangen. Auf die Frage, ob man ihn aufgrund seiner Kontakte zum Verband geholt habe, antwortete Wolter: „Gute Verbindungen sind nie abträglich.”

Der vermutlich größte Streitpunkt ist die Umgehung der sogenannten „50+1-Regel“. Diese soll im deutschen Profifußball verhindern, dass Investoren die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften übernehmen können, in welche die Vereine ihre Mannschaft ausgegliedert haben. Erlaubt ist es jedoch, dass die Investoren die Mehrheit des Kapitals besitzen. Laut dieser Regel können sich Investoren also maximal 49% der Stimmanteile erkaufen. Red Bull besitzt 99% des Stammkapitals und nur auf dem Papier liegt die Stimmenmehrheit beim RasenBallsport Leipzig e.V. Dieser hat nämlich gerade einmal 20 stimmberechtigte Vereinsmitglieder, welche allesamt aus dem Red-Bull-Umfeld stammen. 

Möglich ist für Fans lediglich eine Fördermitgliedschaft ohne Stimmrecht. Je nach Zahlungsbereitschaft gehen damit „Vorteile“ wie ein Begrüßungspaket (100 Euro im Jahr), ein Treffen mit der Mannschaft (Silber Paket, 500 Euro im Jahr) oder die Übergabe eines Fan-Shirts durch einen Spieler (Gold Paket, 1000 Euro jährlich) einher.

Ein offener Verein sieht auf jeden Fall anders aus. Statt einer breiten Mitgliederbasis haben nur ausgewählte Angestellte des Investors das Sagen und RBL umgeht damit, geduldet von Verbänden und Funktionären, ganz offensichtlich die 50+1-Regel. Dass dies der Kernidee der Regel widerspricht, nämlich dass alle Menschen Mitglied in ihrem Fußballverein werden und diesen mitgestalten können, stellte jüngst auch das Bundeskartellamt fest und forderte die DFL auf nachzubessern.

Vorteilsnahme auf allen Ebenen

Während die 50+1-Regel umgangen wurde, wurden andere Regelungen bis ans Maximum ausgereizt und Prinzipien eines fairen und ausgeglichenen Wettbewerbs ad absurdum geführt. Auch wenn gerne das Märchen erzählt wird, dass in Leipzig eben auch gute Arbeit gemacht wird, die man anerkennen sollte, ist dies nicht der Grund für den sportlichen Erfolg. Ohne das massive Finanzdoping wäre der Durchmarsch aus dem Nichts in die Champions League niemals möglich gewesen. Wo sonst wird einem Verein von seinem Investor Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro erlassen? So 2020 in Leipzig geschehen. Zuvor hatte RBL-Manager Oliver Mintzlaff gerne behauptet, dass das Geld von Red Bull Darlehen seien, die getilgt werden müssten.

Andere Vereine, die nicht mit externem Geld den Wettbewerb verzerren, haben das Nachsehen. Der Aufstieg eines Teams geht immer mit dem Abstieg eines anderen einher – und kann auch wieder den Sport-Club treffen.

Auch in Hinblick auf die Transfers nutzen die Red Bull-Vereine ihre Organisation aus. Ein Beispiel: Im Sommer 2014 wechselte das Toptalent Marcel Sabitzer von Rapid Wien nach Leipzig, um dann direkt nach Salzburg verliehen zu werden. Durch eine Vertragsklausel war ihm ein direkter Wechsel innerhalb Österreichs nicht möglich gewesen. Doch nicht nur zwischen Leipzig und Salzburg können nun auf diese Art und Weise Spieler hin und her geschoben werden. Red Bull besitzt auch die Kontrolle am österreichischen FC Liefering, welcher als „Farmteam“ dient. Das hat den Hintergrund, dass die 2. Mannschaft von RB nicht in die zweithöchste Spielklasse aufsteigen könnte. In dieser spielt aber der FC Liefering, wo fortan auf höchstem Niveau Spieler und Trainer ausgebildet werden. Auf Kosten kleinerer österreichischer Vereine.

Profifußball grundlegend reformieren

RBL steht sinnbildlich für das kranke System Profifußball. Wirtschaftliche Interessen überlagern immer mehr das, was wir alle am Fußball und Stadionbesuch lieben. Es braucht daher grundlegende Reformen.

Von den Verbänden fordern wir:

  • Fußball in die Hände von eingetragenen Vereinen und ihren Mitgliedern:
    Es braucht eine konsequente Umsetzung der 50+1-Regel und die Abschaffung der bestehenden Ausnahmen. Umgehungstatbestände wie in Leipzig dürfen nicht länger geduldet und Strukturen im Geiste von 50+1 müssen überall sichergestellt werden.
  • Für einen fairen Wettbewerb – Finanzdoping beenden:
    Der Wettbewerbsverzerrung durch das Finanzdoping von Konzernen oder reichen Einzelpersonen muss ein Riegel vorgeschoben werden. Dafür braucht es neue, wirksame Regelungen, zum Beispiel ein nationales Financial Fairplay.
  • Mehrfachbeteiligungen begrenzen
    Unternehmen dürfen sich durch internationale Mehrfachbeteiligungen keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber rein lokal agierenden Vereinen, wie unserem Sport-Club, verschaffen. Mehrfachbeteiligungen müssen daher streng begrenzt werden.

Vom Sport-Club Freiburg e.V. erwarten wir, dass er sich innerhalb der Verbände aktiv für diese Reformen einsetzt und diese vorantreibt. Er muss nicht jede Entwicklung mitgehen – zu oft haben auch bei uns in den letzten Jahren kommerzielle Interessen die Interessen von uns Fans ausgestochen.

Und von Euch, SC-Fans, erwarten wir, dass Ihr kritisch auf den Profifußball und unseren Verein blickt. Man muss nicht alles gut finden, was in den verschiedenen Abteilungen unseres Vereins gemacht wird. Man muss nicht alles akzeptieren, nur weil es viele andere in diesem System auch so machen. Wir haben hierzulande durch die 50+1-Regel die vermutlich wertvollste Regel im Profifußball auf der ganzen Welt. Das lassen wir uns von Konzernen wie Red Bull nicht nehmen. 

Jeder Fan des Sport-Clubs, jeder, dem dieser Verein etwas bedeutet, muss Mitglied im Verein werden. Hier ist das möglich. Hier ist jede Stimme gleich viel wert. Sie wird auf der Mitgliederversammlung gehört. Das ist Fußball, wie er sein sollte. 

Wir sind die Fans. Wir sind die Mitglieder. Wir sind der Verein.
Lang lebe der Sport-Club Freiburg e.V.!