Blickt man in die Geschichtsbücher der seit 1963 bestehenden Bundesliga, so wird man keine Abschlusstabelle finden, in welcher die Greifträger aus Freiburg eine höhere Punktzahl als die in 2022/2023 eingehamsterten 59 Zähler erringen konnten. Sucht man nach dem SCF in der Runde der letzten 16 des Europapokals, wird man ebenso nur in der zurückliegenden Spielzeit fündig und auch die stattliche Anzahl von 47 Pflichtspielen kam bis heute nur ein einziges Mal zusammen: Von Juli 2022 bis Mai 2023. Eine Saison vieler Bestmarken und Premieren liegt hinter uns und dank den überaus beachtlichen Leistungen aus dem abgelaufenen Jahr dürfen nun auch in den kommenden Monaten Früchte geerntet werden, die ebenfalls erstmalig im Breisgau wachsen. Die Rede ist von dem direkt aufeinanderfolgenden Erreichen des internationalen Geschäfts.
Womit man hingegen dann doch quasi noch ganz frisch vertraut war, war die wiederkehrende Prozedur der Auslosung zur Gruppenphase der Europa League und während also noch im letzten Sommer beim Verfolgen der Qualifikationswege zur Champions League mit den ausgeschiedenen Teams bereits erste Wunschgegner auserkoren wurden, beschränkte sich meine diesjährige Hoffnung vorrangig erst einmal darauf, nicht nochmals nach Aserbaidschan reisen zu müssen. So weit kam es glücklicherweise nicht und der Ausflug ans Kaspische Meer ist dieses Mal den Pillendrehern aus Raverku… äh, vom Bayerkreuz vorbehalten. Dafür gibt es also neben Reisen zu West Ham United und in die serbische Provinz ein Wiedersehen mit Olympiakos Piräus. Naja. Losglück sieht in meinen Augen anders aus, aber davon ist der Sport-Club bekanntlich ja sowieso eher selten geküsst. Zumal in Bezug auf Griechenland auch noch die Ausweitung des Gästefanverbotes für Ligaspiele auf internationale Wettbewerbe zeitweilig kolportiert wurde und somit natürlich auch bei der genauen Reiseplanung mitschwang. Bei dieser gilt es bekanntlich im Nachgang der zeitgenauen Ansetzungen keine Zeit zu verlieren. Auch dann nicht, wenn man gerade im Bus zum Auswärtsspiel nach Stuttgart sitzt und so wurde kurzerhand für Dienstagabend ein Flug ab Frankfurt mit Storno-Option gebucht, um für den Fall der Fälle doch noch einmal abwägen zu können, ob man wirklich nur für zwei Tage Sonnenschein und Sightseeing gute 1.700 Kilometer Luftlinie hinter sich bringen wollte. Schließlich ließen sich dann aber in den darauffolgenden Tagen keine Quellen ausfindig machen, die die Sorge hinsichtlich einem Ausschluss von SC-Fans erhärteten und es war erfreulicherweise relativ frühzeitig absehbar, dass der Anblick des Stadioninneren auch uns gewährt werden sollte.
Für meine Wenigkeit, welcher die beruflichen Verpflichtungen im September 2022 noch einen Strich durch die Rechnung mit dem Trip in die griechische Hauptstadt machten, bedeutete dies also die Hälfte des Abreisetages im Homeoffice abzusitzen und dann mit der restlichen Reisegruppe den größten Flughafen des Landes anzusteuern. Dort angekommen traf man auch recht bald auf weitere bekannte Gesichter und mit den ersten alkoholischen Erfrischungen wurden wortwörtlich die Korken knallen (bzw. klirren) gelassen. Der Flug verlief schließlich angenehm unspektakulär und es konnten mitunter auch nochmals die Augen geschlossen werden. In Athen gelandet, zahlten sich dann die Kenntnisse derer, die im vergangenen Jahr bereits vor Ort waren, erstmalig aus und die preislich faire U-Bahn, die einen in den Stadtkern beförderte, konnte auf direktem Wege aufgesucht werden. Mit Erreichen des Zentrums unweit der Akropolis musste dann im gebuchten Hotel jedoch damit Vorlieb genommen werden, dass die dazugehörige Rooftop-Bar anders als bei der Unterkunft aus dem Vorjahr geöffnet war. Um sich die Aussicht über die Dächer der Stadt mit Flüssignahrung zu versüßen, blieb somit also nur der der Herberge zugehörige Tresen, welcher natürlich kein vergleichbares Preis-Leistungs-Verhältnis wie die lokalen Kioske bieten konnte. Nach Ankunft am späten Abend bedurfte es zunächst aber der Befriedigung ganz anderer Bedürfnisse. Ein umliegender Imbiss hatte glücklicherweise seine Pforten noch nicht geschlossen und so durfte man sich noch feine Pita-Taschen schmecken lassen, ehe die ersten Stunden des bereits angebrochenen Mittwochs mit Gerstengebräuen in einer Kneipe gemütlich ausgeklungen wurden.
Während ich persönlich Olympiakos Piräus weder für das zurückliegende noch das diesjährige Europapokalabenteuer auf dem Wunschzettel hinsichtlich möglicher Reisedestinationen hatte, sollte ich meine Meinung diesbezüglich bereits am Morgen vor dem Kick überdenken. In T-Shirt und kurzer Hose nochmals 30° zu einem Zeitpunkt genießen zu können, indem sich der Sommer aus den heimischen Gefilden wieder verabschiedet hatte, konnte man sich durchaus schmecken lassen und ausgeschlafen sowie nach dem Frühstück gut gestärkt begab man sich recht bald auf eine Erkundungstour durch die Gassen Athens. Für manch einen stand eine umfangreichere Wanderung auf einen der umliegenden Hügel der Stadt auf der Agenda, andere wiederum beschränkten sich darauf in Reichweite zu Schlafplatz und Hopfenhaltigem zu verbleiben. Auf die Akropolis zu stiefeln, ließ sich aber definitiv keiner nehmen, wo Sektion U25 im Zuge des Kulturprogramms sogar auch noch durch kostenfreien Eintritt den Geldbeutel schonen durfte. Pünktlich zur Bier-Happy Hour fand man sich schließlich wieder gesammelt auf der Dachterrasse der Unterkunft ein, um den Abend einzuläuten. Im Verlauf der darauffolgenden Stunden stieß hier dann auch der weitere Teil der Gruppendelegation hinzu und so konnte sich vollzählig um Mitternacht in das Nachtleben gestürzt werden. Die feucht-fröhliche Tour sollte gegen drei Uhr nachts ein Ende haben, nachdem man auch in den letzten geöffneten Lokalen keine Spirituosen mehr ausgeschenkt bekam, was im Hinblick auf den in den Startlöchern stehenden Spieltag aber vielleicht auch nicht das Schlechteste war.
Auch dieser lud mit erneut herrlichen Sommertemperaturen zu Unternehmungen im Stadtgebiet ein, was sich die Fraktion der Nachzügler und jene, denen die Strapazen der vorherigen Nacht nicht komplett in den Knochen steckten, auch zunutze machten. Mit landestypischer Kost wurde sich dann um die Mittagszeit für den weiteren Tagesverlauf gestärkt, bevor man sich früher oder später dann doch wieder dem Vernichten von Alkoholhaltigem auf der Dachterrasse widmete und sich gemütlich auf die spät abendliche Partie einstimmte. Schließlich war die Zeit gekommen, seine Komfortzone zu verlassen und in Richtung des ausgerufenen Treffpunkts aufzubrechen. Unweit unseres Schlafquartieres hatten sich auch bereits Corrillo und Synthesia versammelt und kurz darauf schlug der Szenehaufen am Vorplatz des Panathinaiko Stadiou auf, wo aber das Dosenbiertrinken für uns und die restliche ebenfalls in (fast) ausschließlich weiß gekleideten Oberteilen vertretene SC-Anhängerschaft spontan zu einer kurzweiligen Angelegenheit wurde. In weiten Teilen des öffentlichen Nahverkehrs wurde in der griechischen Hauptstadt am Donnerstag für 24 Stunden gestreikt, weshalb die lokale Staatsmacht wohl ein stark erhöhtes Verkehrsaufkommen auf den Straßen gen Georgios Karaiskakis Stadion vermutete und die Shuttlebusse nach Piräus bereits um 18:30 Uhr und somit eine Stunde früher als ursprünglich kommuniziert eskortierte. Ja und was soll ich sagen? Ohne auch nur in einem Ansatz von Stau gestanden zu haben, hatte man das 33.000 Plätze fassende Rund nach etwa 30-minütiger Fahrt erreicht. Beim Blick auf den Tacho wurde also klar, dass mal noch so eben drei ganze Uhrzeigerumdrehungen ausgeharrt werden mussten, bis das runde Leder ins Rollen kommen sollte.
Für Staatsdiener und anwesendes Ordnerpersonal spielte das keine Rolle und die Tore zum Gästeblock hatten bereist geöffnet, wodurch eine neue (und hoffentlich einmalige) Rekordvorlaufzeit beim Betreten eines Auswärtssektor aufgestellt wurde. Bei aller Begeisterung für Fußballtempel – Eine Zeitspanne, in der man den Kick für sechs sehr, sehr starke halbe Stunden zu großen Teilen mit Däumchen drehen herbeisehen muss, bedarf keiner allzu raschen Wiederholung. Folglich war also erstmal Nichts-Tun angesagt und zu allem Übel war die mobile Bauchladen-Bar anders als ein Jahr zuvor nicht mit stimmungserheiternden Flüssigkeiten ausgestattet, um das Verbot von alkoholhaltigen Erfrischungen auszuhebeln. Stichwort Stimmung: Wie ich mir von Zeugen sagen ließ, ging beim letzten Kräftemessen im Hafenviertel Athens neben dem fußballerischen auch der gesangliche Vergleich klar an die aus Südbaden mitgereisten Stimmen und als schließlich die Abordnung des Sport-Clubs zum Warmmachen aufs Feld stapfte, zeigte sich, dass auch bei der Neuauflage des Duells ähnlich gute Voraussetzungen vorherrschten. Fairerweise sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch die inzwischen ebenfalls gut gefüllte Heimseite mit beachtlicher Lautstärke und beeindruckender Mitmachquote auf allen Tribünen mit ersten Gesängen zu überzeugen wusste, als sich ihre Farben erstmals auf dem Rasen zeigten. Weshalb in diesem Zuge aber zeitgleich Mucke von ACDC in fast schon schmerzhafter Lautstärke durch die Lautsprecher schallte und damit die bemerkenswerte Atmosphäre vollkommen zunichtemachte, bleibt ein Rätsel. Das wortwörtliche Absitzen der Zeit bis zum Anpfiff neigte sich jedenfalls dem Ende entgegen und man kehrte allmählich wieder in den Spieltags-Modus zurück. Dass dieser auswärtigen Fußballinteressierten Griechenlands auf nationaler Ebene oft vorenthalten bleibt, muss sicher nicht für gutgeheißen werden. Mögliche Ursachen für eine derartige Restriktion ließen sich allerdings mitunter auch im Verhalten der schaulustigen Olympiakos-Anhänger erkennen und man war nach den geschilderten Erfahrungen des vorjährigen Reisetrupps gut beraten, auch noch am späten Abend die Sonnenbrille aufzusetzen. Aus diversen Winkeln zielten bereits vor Spielbeginn unterschiedliche Laserpointer regelmäßig und teilweise minutenlang auf den für SC-Fans vorgesehenen unterm Stadiondach gelegenen Eckbereich.
Der dort einquartierte Haufen Freiburgerinnern und Freiburger ließ sich davon jedoch den Supportwillen nicht nehmen, legte vom Beginn weg eine lobenswerte akustische Performance an den Tag und sollte schon bald belohnt werden. In einer Anfangsphase, die an beiden Strafräumen von eklatanten Aussetzern in den Hintermannschaften durchzogen war, nutzte Sallai die sich ihm bietende Chance zur frühen Führung für den SCF. Doch leider stellte die Viererkette aus dem Breisgau das Verteilen von Geschenken zunächst nicht ab, wodurch letztlich die Gegenseite noch vor dem Seitenwechsel zum nicht unverdienten Ausgleich kam. Für einen kurzen Augenblick sollte auch der top aufgelegte Gästeblock nicht gegen die Ekstase im Lager der Hausherren ankommen. Die Betonung liegt auf kurz. Nur wenig später vernahm man wieder einmal nur die Kehlen, die es mit den Jungs mit dem Greif auf der Brust hielten, welche in Person von Grifo mit der letzten Aktion in Durchgang eins nochmal etwas Zählbares auf die Anzeigetafel brachten. Der Standardchef behielt nach einem Foul an Doan die Nerven und traf vom Elfmeterpunkt zum Halbzeitpausen-Vorsprung. Im zweiten Abschnitt trat der Sport-Club defensiv stabiler auf und gewährte dem Gastgeber nicht mehr allzu viele Torabschlüsse, wodurch sich der Glaube an einen Auswärtstriumph verfestigte. Doch etwa eine Viertelstunde vor Ende konnte der griechische Rekordmeister eine weitere Hereingabe erneut in den Maschen unterbringen. Der inzwischen in weiten Teilen verstummte Heimanhang meldete sich auf einmal wieder zurück und während nochmal ordentlich mit dem Blenden der Laserpointer auf die Gästezone nachgelegt wurde, fanden sich in dieser wohl nicht wenige mit dem unterm Strich vielleicht gerechten Remis ab. Aber inzwischen hat auch unser Herzensclub eine gewisse Qualität entwickelt, regelmäßig seine Offensivaktionen in ausgeglichenen Angelegenheiten zu entscheidenden Treffern zu verwerten und so war es Joker Maxi Philipp als Wiederholungstäter, der uns nach seiner Einwechslung im Anschluss an einen Eckball aus dem Rückraum zum dritten Mal in Front brachte.
In der verbleibenden Restspielzeit ließ man schließlich nichts mehr anbrennen und kurz darauf war es amtlich, dass Freiburg auch beim zweiten Aufeinandertreffen im Georgios Karaiskakis sowohl auf als auch neben dem grünen Rasen die Oberhand behielt. Insbesondere Letzteres ließ man die Olympiakos-Gefolgschaft nochmals wissen, als deren peinliches Gepöbel beim Verlassen der an unsere Ränge angrenzenden Blöcke mit einem lauten „You only sing when you’re winning!“ quittiert wurde. Mit den in schwarz gekleideten SC-Kickern durfte dann der knappe und wichtige Erfolg gebührend gefeiert werden und als diese in den Katakomben verschwanden, endete unser Stadionaufenthalt so, wie er bereits am frühen Abend begann: Mit Warten. Anfangs konnte noch das Auslaufen der Reservedelegation verfolgt werden, den Großteil der gut 60 Minuten andauernden Blocksperre verbrachte man jedoch abermals mit Zeittotschlagen und dem Starren auf die verwaisten umliegenden Sitzplätze. Nachdem auch diese gefühlte Ewigkeit endlich überstanden war, ging es per Shuttlebusse wieder zurück an den Austragungsort der ersten olympischen Spiele der Neuzeit und von dort aus per Fußmarsch ins Hotel, welches man gegen zwei Uhr in der Nacht erreichte. Der lange Tag in der Spätsommerhitze hatte Kraft gekostet und das Spiel an den Nerven gezerrt. Ein Glück, dass auf den Imbiss unseres Vertrauens unweit der gebuchten Herberge abermals zu später Stunde Verlass war und man sich noch den Siegerschmaus vor dem Schlafengehen reinpfeifen konnte. Wer jetzt aber an ein erholsames Schlummern denkt, der hat die Rechnung ohne unsere Rückflüge gemacht. Der angebrochene Freitag war für die meisten der Tag der Abreise und für die ersten von uns, darunter auch den Autor dieser Zeilen, sollte die Maschine bereits um kurz nach acht Uhr morgens in Richtung Heimat abheben. Folglich also Sack und Pack in die Rucksäcke geworfen und noch etwa eine Stunde aufs Ohr gehauen, ehe einen der Wecker schon wieder unter die Dusche scheuchte, um sich anschließend auf den Weg zum Flughafen zu begeben.
Um diesen zu erreichen, blieb diesmal aufgrund des noch nicht beendeten Ganztages-Streiks nur die Option einer Taxifahrt. Nicht ganz billig, dafür gab es aber noch einen netten Plausch mit dem Herrn hinterm Steuer, der Zitat [früher einmal jahrelang im Sauerland malocht] hatte. Am Gate Platz genommen, machte sich dann allmählich doch der Schlafmangel bemerkbar und als es schließlich in die Lüfte ging, konnte sich dankenswerterweise nochmals ins Reich der Träume verabschiedet werden. Verabschiedet wurde sich dann ebenso nach der Landung in Frankfurt, da sich für die letzte Etappe der Rückreise die meisten Wege trennten. Der Weg, der unseren einzigartigen Club in dieser Saison noch nach Serbien und England führt, wird, wie wir inzwischen wissen, auch in 2024 seine Fortsetzung auf europäischem Terrain finden. Auswärtssiege in Piräus zu Beginn einer Europapokalgruppenphase scheinen einfach eine gute Basis für die anschließenden Abenteuer außerhalb der Landesgrenzen zu sein. Wir jedenfalls haben eine weitere unvergessliche Griechenland-Tour erleben dürfen und sind gespannt, wohin es uns mit dem Sport-Club Freiburg e.V. noch verschlagen wird!
Daten & Fakten
Begegnung: Olympiakos Piräus – Sport-Club Freiburg e.V. 2:3 (1:2)
Wettbewerb: Europa League – Gruppenphase, 1. Spieltag
Wann und Wo: Donnerstag, 21. September 2023, Georgios Karaiskakis Stadion, Athen
Zuschauerzahl: 30.056, davon um die 600 SC-Fans
Den Greif auf der Brust trugen: Atubolu – Kübler, Ginter, Lienhart, Schmidt (54. Sildillia) – Doan (90+2. Adamu), Eggestein, Höfler, Grifo (76. Weißhaupt) – Sallai (76. Philipp), Höler (90+2. Keitel)
Tore: 0:1 Sallai (9.), 1:1 El Kaabi (40.), 1:2 Grifo (45+7, Foulelfmeter), 2:2 El Kaabi (75.), 2:3 Philipp (86.)