Und alljährlich grüßt das Murmeltier. Waren es bis vor ein paar Saisons noch die Duelle in der ersten Pokalrunde, die uns konstant in den hohen Norden und entlegenen Osten der Republik verschlagen haben, so wurde es in jüngerer Vergangenheit zur Gewohnheit, dass uns der Spielplan zu Beginn einer neuen Bundesligaspielzeit einen Ausflug in die baden-württembergische Landeshauptstadt beschert. Seitdem der dort beheimatete Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 2020 wieder in die höchste Spielklasse Deutschlands zurückgekehrt ist und sich in dieser bis heute halten konnte, war es nach einer Begegnung am Premierenspieltag nun das dritte Mal hintereinander, dass der SCF am 3. Saisonspieltag beim schwäbischen Nachbarn gastiert.

In den beiden vergangenen Jahren gingen hier jeweils die Punkte nach Südbaden und mit einem erfolgreichen Saisonstart in Form zweier Siege aus zwei Partien standen ein weiteres Mal die Vorzeichen nicht allzu schlecht, um die Zähler erneut in den schöneren Teil des Bundeslandes zu entführen. Bevor man sich jedoch am Samstagvormittag auf die Mission begab, abermals im Neckarstadion zu triumphieren, gab es in den Morgenstunden vorerst andere Herausforderungen zu bewältigen. Die Veröffentlichung der zeitgenauen Termine der Euroleague-Gruppenphase, die für uns über die Hinrunde hinweg Abenteuer in London, wieder in Athen sowie in der serbischen Provinz bereithalten wird, erwischte einen quasi am Frühstückstisch und so galt es den Kaffee beiseitezustellen und die Kreditkarten bei der Buchung der jeweiligen Flugverbindungen glühen zu lassen. Ja, da war es in der vorherigen Spielzeit schon deutlich angenehmer, dass die exakten Reiseplanungen nicht mit einem Spieltag kollidierten. Dankenswerterweise stand heute jedoch “nur” der kürzeste Auswärtstrip der Liga auf dem Programm, wodurch die Busabfahrt auch etwas großzügiger nach hinten gelegt werden konnte. Erleichtert über die dann doch schon weitestgehend abgeschlossenen Buchungen war dann auch der teils schleppende Verkehr auf A5 und A8 zu verkraften und die Wartezeit konnte mit ersten Überlegungen bezüglich Unterkünften in den jeweiligen Destinationen überbrückt werden.

Spruchband der Fanszene gegen Materialverbote

Spruchband der Fanszene gegen Materialverbote

Bis zur letztlichen Ankunft in Stuttgart-Cannstatt hatten die Uhrzeiger allerdings dann schon manche Umdrehungen hinter sich und so musste das Tempo beim Marsch vom Busparkplatz in Richtung Gästeblock doch etwas angezogen werden. Es ist sicherlich keine Neuheit, dass dieser zu den schlechteren in den Fußballstadien dieses Landes gehört. Dass einem jedoch auch neuerdings die Möglichkeit genommen wird, diesen durch eine vorgegebene Anzahl an großen Schwenkfahnen nach Belieben optisch aufzuwerten, stellt zweifelsohne einen neuen Tiefpunkt dar. Nach langem Abwägen entschied man sich daher schließlich gruppenübergreifend dazu, diesen unbegründeten und sinnfreien Quatsch nicht mitzumachen und abgesehen von Zaunfahnen komplett auf Materialien zu verzichten. Keineswegs eine Entscheidung, die leicht von der Hand gefallen ist. Am Ende des Tages bleibt jedoch festzuhalten, dass Fankultur immer und überall ein unverhandelbarer und uneingeschränkter Freiraum zusteht und niemals nach der Pfeife irgendwelcher Ordnungshüter tanzen wird! Im Verlaufe des Spiels wurde hierbei auch nochmals mit Spruchbändern auf die an diesem Tag geltenden Missstände aufmerksam gemacht.

Was den akustischen Part der Unterstützung unserer Kicker angeht, so machten sich hier die fehlenden optischen Elemente glücklicherweise zunächst nicht bemerkbar. Eine Mitmachquote von nahezu dem gesamten Gästesektor peitschte den Sport-Club in der Anfangsphase in beachtenswert lautstarker Manier nach vorne und nach ebenso ordentlichem Start auf dem grünen Rasen hätte sogar beinahe der Führungstreffer bejubelt werden dürfen. Doch bei der ersten Offensivaktion der Gastgeber gewährte der SC-Abwehrverbund gerade einmal Begleitschutz und geriet ins Hintertreffen. Passiert, schütteln und weitermachen. Aber weiter sollte es an diesem Nachmittag nur mit sich einreihenden haarsträubenden Fehlern und Unzulänglichkeiten im Freiburger Defensivverhalten gehen – gerade einmal 10 Minuten nach dem Führungstreffer der Hausherren ließ man sich düpieren und einen Doppelschlag zum 3:0 einschenken. Bei entsprechend passender Laune zum Spielgeschehen und vielleicht auch nicht immer optimaler Liedauswahl rief nun auch der Gästeblock bis zum Halbzeitpfiff nicht mehr den maximalen Support auf der Dezibel-Skala ab und so musste in der Pause erstmal durchgeatmet und vor allem mental neue Kraft geschöpft werden. Frische Power wurde nach dem Seitenwechsel auch in Form eines Dreifachwechsels in den Reihen des SCF aufs Feld gebracht, aber die Hoffnung, nochmal ranzukommen, erlosch doch recht bald. Schlichtweg selbst im Weg standen sich einfach unsere Jungs, die sich in der schwäbischen Spielhälfte keineswegs selten präsentierten, aber den Gegner eben auch immer wieder auf einfachste Art und Weise zum Toreschießen einluden, welcher schließlich mit den Treffern vier und fünf für eine vielleicht zu hohe, aber definitiv verdiente erste Saisonniederlage sorgte. Immerhin konnte im zweiten Abschnitt das Potenzial der vielen südbadischen Kehlen wieder gebündelt und nochmals eine zufriedenstellende Leistung unter stimmungstechnischen Geschichtspunkten an den Tag gelegt werden.

Bleibt eigentlich nur noch die alte, aber nie aus der Mode kommende Binsenweisheit “Lieber einmal 5:0 als fünfmal 1:0” zu Protokoll zu geben sowie festzuhalten, dass dem Sport-Club eine Packung in dieser Größenordnung in zuletzt über die Bühne gegangenen Spielzeiten für den weiteren Saisonverlauf schon auch mal ganz guttat. Und dann hat es sich eigentlich auch mit dem, was hinsichtlich der Tour an den Neckar gesagt werden müsste, erledigt. Eigentlich. Wer regelmäßig im Always A5-Blog unterwegs ist, der weiß, dass wir normalerweise nicht auf die Tribünengeschehnisse auf der jeweiligen Heimseite eingehen und den Fokus lieber auf das Erledigen der eigenen Hausaufgaben, die ein Auswärtsspiel so mit sich bringt, richten. Wenn aber doch so sehr um unsere Aufmerksamkeit gebettelt wird, dann wollen auch wir nicht so sein. So war es doch tatsächlich die große und ruhmreiche Cannstatter Kurve, die auf der Rückfahrt bei immer noch etwas gedrückter Stimmung wieder für erste Schmunzler in den Gesichtern sorgte. Genau die Cannstatter Kurve, die ja gar nicht oft genug betonen kann, wie irrelevant und belanglos die Duelle mit dem SCF wären und für die VfB-Fangemeinde definitiv keinen besonderen Stellenwert hätten. Und siehe da. Im “Cannstatter Blättle”, dem Spieltagflyer des Commando Cannstatt, welcher den Weg in den Bus gefunden hatte, wurde der völlig marginale Sport-Club aus Freiburg und seine Fanszene auf mehreren Seiten mit unermüdlicher Hingabe zum Thema gemacht und mit netten Worten bedacht. Komisch. Naja, wie unbedeutend die lokalen Kräftemessen für die Brustring-Ottos sind, haben diese ja schon mit peinlichen Spruchbändern zum Ausdruck gebracht und auch ein “Freiburger, Ar…”(ihr könnt es euch ja denken) kurz vor Spielbeginn machte nur nochmals deutlich mit welcher Gleichgültigkeit die Schwaben den Partien mit dem Kontrahenten aus dem Breisgau gegenüberstehen. Und wenn dann zur Abwechslung nach längerer Zeit auch mal wieder ein Erfolg im direkten Aufeinandertreffen glückt, dann wird selbstredend “Die Nummer eins im Land sind wir” gegrölt. Gut, nachdem die Württemberger in den letzten Jahren zur Fahrstuhlmannschaft verkommen sind, konnte die Anhängerschaft dies ja auch nie singen. Wir jedenfalls danken an dieser Stelle für die erheiternde Lektüre und machen jetzt erstmal wieder Europa unsicher. Ach ja, bekanntlich noch etwas, an das man sich am Cannstatter Wasen wohl kaum noch erinnert.

Daten & Fakten

Begegnung: VfB Stuttgart 1893 AG – Sport-Club Freiburg e.V. 5:0 (3:0)
Wettbewerb: Bundesliga – 3. Spieltag
Wann und Wo: Samstag, 2. September 2023, Neckarstadion Stuttgart
Zuschauerzahl: 54.300, davon knapp 6.000 SC-Fans
Den Greif auf der Brust trugen: Atubolu – Sildillia (46. Schmidt), Ginter, Lienhart, Kübler – Sallai (46. Doan), Höfler, Eggestein (73. Röhl), Grifo (73. Weißhaupt) – Höler, Gregoritsch (46. Philipp)
Tore: 1:0 Führich (8.), 2:0 Guirassy (17.), 3:0 Guirassy (19.), 4:0 Führich (62.), 5:0 Millot (75.)