Kaum zu glauben. Die längste Winterpause aller Zeiten, bedingt durch die gelinde gesagt widersinnigste Fußball-Weltmeisterschaft, die es je gab, gehört tatsächlich der Vergangenheit an. Kam die längere Unterbrechung, nachdem über Wochen im dreitägigen Rhythmus dem SCF hinterhergereist wurde anfangs doch noch sehr gelegen, so schlug sich spätestens mit Beginn von 2023 die Wochenends-Langeweile durch, zumal in vielen Ligen im Ausland der Ball schon wieder rollte. Entsprechend groß war also die Vorfreude, als endlich mal wieder ein vernünftiges Programm für einen Samstagnachmittag anstehen sollte.
Der Auftakt ins neue Jahr stieg für die Kicker in weiß und rot in der selbst ernannten Autostadt. Ausnahmsweise bedarf es hier tatsächlich eines Danks an die DFL. Denn auch wenn das letzte Auswärtsspiel der Hinrunde aufgrund eingangs erwähnter Wüstenveranstaltung erst nach dem Jahreswechsel ausgetragen werden konnte, wurde dieses dennoch bereits im zurückliegenden Spätsommer zeitgenau terminiert. Dadurch dufte angenehm früh der Trip nach Niedersachsen geplant werden und so fiel bei den Ultragruppen und auch einigen weiteren SC-Fans die Wahl auf die sehr preiswerte Anreise per ICE-Verbindung. Ein natürlich immer etwas gewagtes Unterfangen, doch zumindest auf dem Hinweg kam man in den Genuss der Vorzüge, die eine Tour auf den Gleisen haben kann. Ohne Umstieg und Verspätungen war nach gut fünfeinhalbstündiger Fahrt der Zielbahnhof erreicht, von wo aus man anschließend zu Fuß Kurs auf die Heimstätte der VFL Wolfsburg-Fußball GmbH nahm. Da auch hier beizeiten aufgeschlagen wurde, blieb sogar noch etwas Zeit, um sich vor den noch geschlossenen Stadiontoren bei einem Gehopften auf die bevorstehende Partie einzustimmen.
Dieser sah man durchaus zuversichtlich entgegen. Schließlich hatte der Sport-Club, man vermochte sich manches Mal zu kneifen, tatsächlich auf Rang zwei des Tableau überwintert, was auch bis dato nicht wenigen erfolgreich gestalteten Auswärtsauftritten im abgelaufenen Jahr zu verdanken war. Der erste im Kalenderjahr 2023 wurde mit einem Intro bestehend aus Glitzerfolie, Wurfrollen und Pyro eingeläutet. Das Ergebnis sorgte für ein schickes Antlitz des Gästeblocks und ersparte einigen Anwesenden zudem auch den Anblick der unmittelbar vor Spielbeginn gezeigten unsäglichen Lichtershow auf den Tribünen, welche die Schüssel am Mittellandkanal nur noch öder erscheinen lässt, als sie ohnehin schon ist.
Bedauerlicherweise sprang der Funke, den man bildlich auf die Mannschaft zu übertragen versuchte, nicht über. Im Gegenteil: Keine 60 Sekunden waren gespielt, da geriet man bereits ins Hintertreffen. Während auf dem Feld wohl noch im Winterschlaf geschlummert wurde, waren dafür die anwesenden Südbadener außerhalb des Platzes hellwach und legten stimmungstechnisch gut los. Viel fehlte nicht und man hätte ebenfalls ein SC-Tor in den Anfangsminuten bejubeln können. Stattdessen fielen aber noch vor dem Seitenwechsel viel zu einfach die Gegentreffer zwei und drei. Dass sich in der Halbzeitpause die Beleuchtungs-Aktion der Ränge wiederh olen sollte, hatte ich seit dem letzten Besuch bei dem sich im Besitz eines Automobilkonzerns befindlichen Clubs, welcher coronabedingt tatsächlich auch schon wieder knapp viereinhalb Jahre zurücklag, schon wieder verdrängt. Obendrein gab es dann noch lautere musikalische „Unterhaltung“ als in jeder Diskothek auf die Ohren – Alles Begleiterscheinungen, die es rund um ein Fußballspiel schlichtweg nicht braucht. Naja, zurück zum Sportlichen: Um ehrlich zu sein, erwischte ich mich noch bei der leisen Hoffnung auf einen frühen Treffer nach Wiederbeginn, um so die Aufholjagd zu starten. Aber Pustekuchen. Im zweiten Durchgang war die Luft auf Freiburger Seite völlig raus und nachdem dann relativ zeitnah die 4:0-Führung für die Hausherren von der Anzeigetafel blinkte, ging es nur noch um Schadensbegrenzung. Aber nicht mal das sollte unseren Jungs gelingen. Einem blutleeren Auftritt und einer defensiven Bankrotterklärung folgten in der Schlussphase zwei weitere Eier in das von Flekken gehütete Netz. Wenig überraschend litt auch die Leistung des Gästeanhangs unter dem Spielverlauf. Gegen Ende der Partie konnte sich aber doch nochmal aus einer Scheißegal-Haltung heraus der ein oder andere Gesang einer soliden Performance erfreuen.
Wenn der höchsten Bundesliga-Niederlage seit knapp mehr als einem Jahrzehnt an diesem Tag noch etwas abgewonnen werden konnte, dann dass es aufgrund des zügigen Verlassens des Stadions für einen früheren Anschluss nach Hannover reichte. Dort blieb dann erfreulicherweise etwas mehr Zeit auf der Uhr, um sich für den anstehenden Rückweg zu stärken und die Kontingente an Flüssignahrung entsprechend auf Vordermann zu bringen. Mit Beginn der weitaus längeren Fahrt auf Schienen gen Breisgau wich dann auch die schlechte Laune hinsichtlich der Klatsche vom Nachmittag hinzu dem Eindruck, dass eine ordentliche Packung auch etwas Positives haben kann und manchen Träumenden von Champions League und Co. vielleicht auch mal wieder ins Hier und Jetzt zurückholt. Nicht zuletzt dank der beim Bahnhofsdiscounter besorgten Gerstengebräue und teils auch sehr eigenwillig getauften Mischspirituosen verbesserte sich die Stimmung zunehmend, je näher man dem heimischen Territorium kam. Die nach und nach immer munter werdende Atmosphäre sollte ihren Höhepunkt bei einem mehrminütigen Aufenthalt in Offenburg erreichen, als sich eine Raucherpause am Bahnsteig in eine ausgelassene Gesangseinlage verwandelte, bei welcher unter anderem auch noch passierende Staatsdiener ihr Fett wegbekamen. Man war schon beinahe geneigt zu sagen, dass sich die dem Ende zuneigende Auswärtsreise in der Kategorie Stimmung und Unterhaltungsfaktor einer der besten seit Langem war. Aber eben nur beinahe.
Denn, wie weiter oben schon mal vorweggegriffen, lief auf der Rückfahrt unglücklicherweise nicht alles so reibungslos, wie das noch am Vormittag der Fall war. Eine Störung am Stellwerk bescherte uns eine Verlängerung des Halts in Mittelbaden von 20 Minuten auf über eine Stunde und mit der Zeit musste sich ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt werden, wie man denn noch am späten Abend nach Hause kommen sollte. Ferner kam erschwerend zu, dass eine derartige Verzögerung selbstredend nicht in der Planung beim Einkauf der Biervorräte berücksichtigt worden war, was sich hier und da auch nicht unbedingt förderlich auf die Gemütslage des Einzelnen auswirkte. Die sich breitmachende Freude und Erleichterung, als der Zug quasi aus dem Nichts dann endlich wieder ins Rollen kam, war leider auch sehr schnell wieder verflogen. Kurz hinter Lahr war nämlich ein weiteres Mal Schluss. Da hier nun auf Höhe eines Feldweges gehalten wurde, bestand nicht mal mehr die Option frische Luft am Bahnsteig zu schnappen und so saß man wortwörtlich im Waggon fest. Aber immerhin: Dieses Mal beschränkte sich das Ausharren in der stehenden Eisenbahn gerade mal auf eine halbe Stunde.
Mit Erreichen des Freiburger Hauptbahnhofs war schließlich dann aus der planmäßigen Ankunftszeit von etwa viertel nach zwölf 02:30 Uhr geworden und man fühlte sich ein weiteres Mal bestätigt, dass die Deutsche Bahn und Anhänger des Sport-Club Freiburgs in etwa so gut zusammenpassen, wie der VFL Wolfsburg und die Bundesliga.